Tanz der Dämonen
vorher dorthin gekommen, meine Mutter und ich. Einiges muss sie ihm aber erzählt haben. Er nimmt an, ich sei am Katerinentag 1514 geboren.«
»Am Katharinentag. Warum sollte es nicht so sein?«
»Vielleicht. Dann bin ich jetzt sechzehn.«
»Kann es angehen, dass du jünger aussiehst, als du bist?«
Wie konnte er darauf kommen, da er doch blind war? Aber ich wollte das nicht ansprechen und sagte: »Ich werde oft für jünger gehalten.«
Er nickte brummend vor sich hin und schwieg eine Weile. Dann fragte er: »Und von deinem Vater weißt du gar nichts, nicht mal wie er heißt?«
»Nein. Glaub es mir ruhig. Ich heiße van der Weyden, wie meine Mutter. Das war ihr Mädchenname. Trotzdem waren sie verheiratet … glaube ich … Ach, ich weiß auch das nicht genau. Jedenfalls kam sie aus Flandern.«
»Deshalb sagst du wohl Katerine statt Katharina?«
»Mag sein. So stand es in meinem Katechismus. Von ihrer Hand. Sie hat meistens Flämisch mit mir gesprochen. Und manchmal hat sie etwas auf Französisch gesagt.«
Er brummelte etwas über »ziemlich vornehme Leute«. Dann: »Glaubst du, dein Vater wird sich freuen, wenn du ihn findest?«
»Es scheint, als wolle er sich vor mir verstecken. Ich komme mir vor wie eine Pestbeule! Vielleicht werde ich ihn gar nicht finden. Der Kaufmann – Herr Arndt – war meine Brücke zu ihm. Aber der ist nun tot. Ob es wohl an mir liegt? Kann es sein, dass ich Unglück bringe … über die Menschen, mit denen ich zu tun habe?«
»Würde ich dann so ruhig hier sitzen?«
Ich musste über sein gespielt dümmliches Gesicht lachen.
»Aber eins wüsste ich gerne«, sagte er. »Warum es welche gibt, die dich verfolgen.«
»Das wüsste ich selber gern. Nur: Ist es denn wirklich so? Wer kann etwas gegen mich haben?«
»Dein Vater vielleicht?«
»Aber warum denn? Er wollte doch, dass ich kam!«
Er hob unschlüssig die Hände. »Mir scheint jedenfalls, du weißt nicht sehr viel über dich selbst. Wahrscheinlich liegt das Geheimnis in deiner Herkunft.«
»Du meinst, ich bin vielleicht ein Königskind oder so und alle wollen an mein Erbe?« Ganz tief in mir zitterte etwas. Aber Bär grinste nur. »Spinn nicht herum«, sagte er. »Kommt dir das Ganze nicht selbst merkwürdig vor? Schau: Lass mich doch mal zusammenzählen, was wir wissen. Man hat euch beobachtet und überfallen, als ihr auf dem Weg nach Köln wart. Das zuerst. Erzähl mir noch einmal genau, wie das war.«
Ich tat es. »Und ich glaube, da ist es um Ahasver gegangen«, schloss ich.
»Mag sein. Aber warum verfolgt man dann dich ? Die Kerle neulich in der Nacht sind dir nachgeschlichen.«
»Vielleicht, weil ich sie zu ihm führen kann.«
»Ach was! Wer immer es ist, die wissen doch längst, wo ihr steckt.«
»Wahrscheinlich schon. Dann habe ich keine Erklärung.«
»Was ist eigentlich im Haus von Arndt geschehen, ehe du da herausgestürzt kamst? Ich meine neulich Abend. Nicht beim ersten Mal.«
»Ich habe den Leichnam gesehen. Und da waren diese drei Männer.«
»Beschreibe sie einmal ganz genau.«
Ich tat es, so gut ich konnte.
»Die müssen wir uns merken«, sagte er. »Obwohl ich im Augenblick nicht weiß, was ich daraus machen soll. Dieser Mann mit dem verhüllten Gesicht – also das klingt nach einem Aussätzigen. Die Krankheit bietet einen furchtbaren Anblick …«
»Leben die nicht in einem besonderen Haus?«
»Ja, die meisten. Draußen in Melaten. Die Aufsicht des Rates, so hab ich gehört, führt dort jemand, von dem du uns erzählt hast, dieser Herr Lennart, bei dem du neulich gewesen bist. Aber Vorsicht: Er ist Jurist beim Gewaltgericht. Ein ehrgeiziger Mann.«
Der Klient bei unserer Wahrsagung. Ich erinnerte mich nicht gern an ihn.
»Aber höre: Melaten ist ein furchtbarer Platz. Da solltest du nicht hingehen.«
»Ja, furchtbar«, bestätigte Knaller und schüttelte sich.
»Aber was diese Männer angeht: Du hast sie bei etwas überrascht, und sie fragen sich vielleicht, ob es ein Zufall war oder nicht. Hast du diesem Ahasver von ihnen erzählt?«
»Ich erzähle ihm so wenig wie möglich …«
»Du traust ihm nicht.«
»Da ist etwas dran. Aber ich bringe es auch nicht fertig, ihn wirklich für einen Feind zu halten. Ich schwanke.«
»Keiner ist völlig gut oder böse.«
»Seltsam: Fast dasselbe sagt er auch. Jedenfalls bin ich vorsichtig.«
»Damit hast du verdammt Recht. Halt deinen Mund und warteab. Eure Feinde warten auch auf etwas. So lange halten sie still. Meinst du nicht?«
»Aber wer
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