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Tanz der Engel

Tanz der Engel

Titel: Tanz der Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Itterheim , Diana
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die einzigen Waffen, die nicht an seinen Kräften zehren. Sie zu beherrschen bringt beim Nahkampf enorme Vorteile.«
    »Deshalb wirst du mich nie gegen Christopher kämpfen sehen, ohne dass ich eine Waffe in der Hand halte«, ergänzte Ekin.
    Mich überzeugte keines der beiden Argumente. Die silberfarbenen Monsterwaffen würden mich – wenn auch nur in Teilen – zu dem werden lassen, was ich unter keinen Umständen sein wollte. Sie überzuziehen bedeutete, etwas davon anzunehmen.
    Wie so oft erriet Christopher meine Gedanken – vielleicht kannte er meine Ängste auch nur besser als ich.
    »Was die Spangen zurückhalten, ist ein Teil von dir. Auch wenn du deine Klauen momentan nicht aktivieren kannst, da sind sie dennoch. Sie zu benutzen ist nicht dasselbe, wie sie zu missbrauchen. Im Gegenteil. Nur wenn du sie kontrollieren kannst, wirst du sie und nicht sie dich beherrschen.« Christophers vertrauensvoller Blick schnitt tief. Er verlangte viel von mir, und ich war mir nicht sicher, ob ich seine Erwartungen erfüllen konnte.
    Mir wurde schlecht, als das rohe Material meine Haut berührte. Es fühlte sich kalt an, zäh und dennoch geschmeidig. Wie eine ledrige Haut, die sich mir anpasste, als wäre sie für mich gemacht. Absolut gruselig! Es schüttelte mich – mir ekelte vor mir selbst.
    Christopher warf mir einen feindseligen Blick zu, als gelte meine Reaktion ihm und nicht der Waffe. Ich versuchte ein Lächeln zustande zu bringen, was das Ganze nur noch verschlimmerte. Sein Unterkiefer malmte, während er mir die zweite Monsterwaffe überstreifte. Er bezog meine Reaktion auf sich. Mein entsetzter Aufschrei, als ich kurz darauf Christophers Klauenhände entdeckte, half nicht gerade, ihn vom Gegenteil zu überzeugen. Dieselben Hände, die so behutsam sein konnten, derselbe Farbton, doch statt der Nägel ragten messerscharfe Krallen aus seinen Fingern. Mein Abscheu war nicht zu übersehen.
    Christopher atmete tief durch. Er wollte nicht zeigen, wie sehr ihm mein Entsetzen missfiel. Ich sah es trotzdem. Seine Augen verrieten, was er fühlte. Ich riss mich zusammen. In meinem Herzen war Christopher der Engel, der mich liebte, und nicht das Monster, vor dem ich mich zu fürchten gelernt hatte.
    Christopher war ein ausgezeichneter Lehrer, der schnell erkannte, wo meine Stärken und Schwächen lagen. Und obwohl ich nur widerwillig lernte, begriff ich schnell, welche Schläge die effektivsten waren. Die Waffe passte sich viel zu gut meinen Händen an. Sie gehörte zu mir, als wäre sie schon immer ein Teil von mir gewesen – ob mir das nun gefiel oder nicht.
    Als Christopher sie mir abnahm, stellte sich nicht die erwartete Erleichterung bei mir ein. Im Gegenteil, es fühlte sich sonderbar an. Ich verdrängte den Gedanken, dass er mir etwas Wichtiges genommen hatte. Die Klauen waren nur eine Waffe, wie ein Schwert. Nicht mehr!
    Am nächsten Tag ersparte Aron mir den Schlossparcours. Dafür erhielt ich Engelsunterricht: Kräuterkunde bei Ernesta, Bogentraining mit ihm und Mentaltraining bei Kassandra Klar.
    Ich überstand Frau Klars Stunde nur, weil Aron mir beistand, und war beinahe froh, als ich danach um den See laufen durfte.Christopher hatte sich den ganzen Tag lang nicht blicken lassen. Offenbar war er noch sauer wegen meiner Reaktion auf seine Klauenhände.
    Damit niemand mein Parallelleben bemerkte, verbrachte ich den Sonntagabend im Internat. Eine Stunde nach dem Abendessen, zu dem auch Christopher sich blicken ließ, sollte ich noch mal zurückwechseln, um ein paar Gewichte zu stemmen und mich Arons Lanze auszuliefern.
    Vielleicht war ich zu unvorsichtig, oder es handelte sich nur um einen Zufall, dass Raffael gerade in dem Moment in der Eingangshalle auftauchte, als ich unter der Treppe verschwinden wollte. Schnell bückte ich mich und gab vor, meinen Schnürsenkel zu binden – gut, dass ich Sneakers anhatte. Raffael entdeckte mich trotzdem.
    »Ganz ohne deinen Schatten?«
    Ich erschrak, als mir die Doppeldeutigkeit auffiel, und nestelte noch ein wenig länger an meinem Schuh herum, bis mir eine passende Antwort einfiel.
    »Und deiner? Hat Juliane endlich begriffen, was hinter deiner schönen Fassade steckt?«
    Raffaels Gesicht verdunkelte sich. Meine Worte trafen ihn. Er litt noch immer an den Folgen seiner Kindheit, weshalb er meine Frage völlig falsch deutete: Ich verachtete ihn dafür, dass er sich Sanctifer unterordnete. Raffael dagegen dachte an seinen entstellten Körper. Er hatte mir seine Schwäche

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