Tanz der Engel
Juliane, dass du ihn dir so genau betrachtet hast.« Ich war aufgesprungen, während ich meine Freundin angiftete.
Die trotz Sommersonne bleiche Juliane erblasste noch ein wenig mehr. Die Wahrheit vertrug sie anscheinend nicht.
»Mach dich nur weiter an meinen Freund ran, aber erwarte bloß nicht, wieder getröstet zu werden, wenn du erkennst, dass er jenseits deiner Möglichkeiten liegt«, sprudelte es aus mir heraus. Ich ließ meine Freunde sitzen – nach diesem Auftritt vielleicht auch Exfreunde. Es war mir egal. Ich brauchte sie nicht – ich hatte Christopher.
Kurz vor Beginn der Wettkämpfe suchte ich mir einen Sitzplatz auf der grasbewachsenen Böschung vor dem Gelben Haus. Wenn ich Christopher nicht versprochen hätte zuzusehen, wäre ich nicht gekommen.
Die ganze Schule war hier versammelt. Wer nicht am Drachenbootrennen teilnahm, schaute zu und genoss den strahlenden Sommertag, sonnte sich oder erfrischte sich in dem klaren, inzwischen Badetemperatur warmen See.
Ich schwitzte lieber – nicht nur wegen der Sonne. Hannah im knappen Einteiler – sie war die Einzige in Badekleidung – zwischen den Drachenboot-Teams neben Christopher zu sehen, katapultierte meinen Blutdruck in die Höhe. Model-like lief sie an seiner Seite über den Steg, ließ sich von ihm ins Boot helfen und das Paddel reichen.
Ich biss die Zähne zusammen. Er war nur hilfsbereit. Mehr würde sie nicht bekommen. Christophers Blick fand mich. DasLächeln, das er nur mir schenkte, beruhigte mich. Er war so viele Jahre allein gewesen. Warum sollte er ausgerechnet jetzt zum Bigamisten werden?
Raffaels Erklärung, dass Engel sich nicht nur an einen Menschen banden, fiel mir wieder ein. Mit hundert Flüchen verwünschte ich den Flüsterer, der mir diese Lüge ins Ohr gesetzt hatte, und hoffte, dass er aus dem Boot fallen, ertrinken und in die Hände der Totenwächterin geraten würde.
»Na, wieder ein bisschen runtergekommen?«
Ich schrak zusammen, als Max neben mir Platz nahm.
»Juliane hat nicht vor, dir Chris auszuspannen. Sie würde es eh nicht schaffen – so besitzergreifend, wie er dich festhält.«
Ich nahm Max die Bemerkung nicht übel – ich kannte Christopher. Er war nicht besitzergreifend. Er wusste, wie sehr ich seine Umarmung brauchte.
»Das tut er nur, um jeden abzuschrecken, der es wagen sollte, mich blöd anzumachen. Also pass bloß auf, sonst beißt er dir nach dem Rennen den Kopf ab.«
Max, der immer für einen Spaß zu haben war, lachte herzlich. »Ich bin froh, dass du nicht sauer bist, weil wir ihn Angelo nennen.«
»Nein. Wenn, dann müsste ja wohl Christopher sauer sein.« Und Juliane, weil ich sie aus einem Impuls heraus wegen einer Nichtigkeit angegiftet hatte – was mir inzwischen unheimlich leidtat und ich schnellstens wieder einrenken wollte. Wahrscheinlich hatte sie sich deshalb einen Platz auf der anderen Seite der Wiese gesucht.
Gemeinsam mit Max beobachtete ich, wie der Wettkampf begann. Jeweils zwei Mannschaften paddelten in den langen, mit bunten Drachenköpfen verzierten Holzbooten gegeneinander. Vorne, mit dem Rücken zum Bug, saß der Antreiber. Für gewöhnlich der Leichteste des Teams. Bei uns war das Marisa. Mit ihrer Trommel gab sie vor, mit welcher Schlagzahl gerudertwurde. Hinten stand der Steuermann, der ein wenig an einen Gondoliere erinnerte, und hielt das Drachenboot auf Kurs. Dazwischen quetschte sich der Rest des Teams auf schmale Holzplanken. Alle waren mit kurzen Paddeln ausgestattet, die möglichst schnell und gleichzeitig durchs Wasser gleiten sollten.
Marisas Team trat zuerst gegen die Siebtklässler an: ein leichtes Spiel. Mit einer Bootslänge Vorsprung erreichten sie das Ziel. Gegen die Lehrer war der Sieg härter erkämpft und der Jubel ein wenig größer.
Ich starrte zur Seite, als Hannah Christopher umarmte. Max war mit seinen Anfeuerungsrufen so beschäftigt, dass er es zum Glück nicht bemerkte – er hätte sich schlappgelacht. Dennoch sah ich erst auf, als Marisas Trommel wieder über den See schallte, um das Boot zurück zum Start zu lotsen.
Die Anspannung der Finalteilnehmer wuchs. Die Elfte ruderte gegen die Zwölfte, die nach bestandenem Abitur zum Wettkampf noch einmal ins Internat zurückgekehrt war. Ein Prestigeduell, das keine der beiden Mannschaften verlieren wollte.
Der Startschuss ertönte. Marisa trieb ihre Mannschaft zur Höchstleistung. Mit schnellen Schlägen forderte sie ihr Team.
Mein Blick wanderte über Raffael, der wie ein Uhrwerk Marisas
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