Tanz der Engel
ausgeflippt. Eine Szene als Abschiedsgeschenk wollte ich nicht hinterlassen. Also kämpfte ich gegen meine Gefühle – und meine Tränen. Erst als ich in den Bus stieg, entfloh eine meiner Kontrolle.
Christopher lächelte, als er sie entdeckte. Vielleicht war er froh zu sehen, dass ich weinte.
Philippe fuhr sich durch seine schwarzen Wuschelhaare. Er wirkte ein wenig verwirrt, als ich allein den Terminal in Rom verließ.
»Sollte ich nicht zwei von euch Musterschülern abholen?«
»Wie’s aussieht, musst du dich mit mir begnügen«, antwortete ich, während ich ihm um den Hals fiel.
»Kommt Chris nach, oder …« Philippe schob mich von sich. Als er meine rotgeäderten Augen bemerkte, wurde er unsicher. »Hattet ihr Streit?«
»Nein – nicht unbedingt.«
» Nicht unbedingt ?! Das ist so typisch für euch Mädels. Immer redet ihr um den heißen Brei herum. Erzählst du mir jetzt, obdu noch mit Chris zusammen bist, oder muss ich im Internet nachschauen?«
»Da wirst du wohl nichts finden. Aber zu deiner Beruhigung: Er kommt nach.«
»Gut – für dich«, antwortete Philippe, schnappte sich mein Gepäck und machte sich auf den Weg zu seinem Fiat Punto. Ich musste rennen, um mit ihm Schritt zu halten.
»Woher willst du das wissen?! Du kennst ihn doch kaum. Außerdem ist es dein Job, mich zu verteidigen und nicht ihn !«
»Das tue ich doch. Und da ich weiß, was gut für dich ist …« Mit zwei hochgezogenen Augenbrauen, die signalisierten: Frag nicht nach, ich weiß, wovon ich spreche , beendete Philippe unsere Unterhaltung und verstaute mein Gepäck im Kofferraum seines Wagens.
Natürlich akzeptierte ich es nicht, dass er dachte, mir meine Entscheidungen abnehmen zu können. »Und wenn er nicht so gut für mich ist , wie es scheint?«
»Das ist er. Glaub mir, ich kenn mich mit Jungs aus. Nach mir ist er das Beste, was dir je passieren konnte.«
Ich brach in gellendes Gelächter aus, während Philippe aus dem Parkplatz rangierte. »Sag mir Bescheid, wenn du wieder frei bist – oder bist du das schon?« Philippes Beziehungen dauerten selten länger als ein paar Wochen.
Er schaute kurz zu mir herüber. »Lucia ist anders als die Mädchen vor ihr. Manchmal glaube ich, sie kann meine Gedanken lesen.« Seine schwarzbraunen Augen leuchteten warm, als er an seine Freundin dachte – mir hingegen kräuselten sich die Haarspitzen angesichts Philippes unerwartet romantischen Ergusses.
Meine Eltern hielten sich mit Fragen zu Christopher zurück. Trotzdem erzählte ich ihnen gleich nach den Begrüßungsumarmungen, dass er nachkommen wollte, um jegliche Spekulationen über den Stand unserer Beziehung rechtzeitig zu ersticken.Notfalltipps und Erfahrungsberichte meiner Eltern waren das Letzte, was ich hören wollte.
Einzig Emilia, meine allerbeste Freundin, die dem Aussehen nach als meine Schwester durchgehen könnte, erzählte ich von Hannahs Bootsunfall und meinem Streit mit Christopher.
»Wenn Stefanos Lippen auf dem Mund einer anderen gelandet wären, hätte ich auch nachgehakt.«
»Ich hätte einen von beiden erwürgt, wenn ich geblieben wäre, um nachzuhaken !«, gab ich zu. »Stattdessen hab ich mich lieber verdrückt.«
»Und deshalb ist Chris sauer auf dich und hat dich allein fliegen lassen? Er soll froh sein, dass du so was wie Eifersucht kennst. Dann weiß er wenigstens, dass du ihn liebst!«, erklärte Emilia verärgert. »Wart’s ab. In ein paar Tagen wird er hier sein und reumütig vor deiner Tür stehen.«
Ich verschwieg meine Befürchtung, inzwischen bei krankhaft eifersüchtig angekommen zu sein, und vertraute ihrer Vorhersage, Christopher bald an meiner Türschwelle scharren zu hören.
Doch aus dem Scharren wurde nichts. Nicht mal ein leises Klopfen – auch nicht in meinen Träumen, obwohl ich wusste, dass Christopher die Fähigkeit besaß, mir darin zu erscheinen. Leise Sorge beschlich mich. Raffael hatte mir zu viele Gerüchte ins Ohr geflüstert, um sie verdrängen zu können. Eifersucht mischte sich hinzu. Auch wenn Christopher seit seiner Rettungsaktion auf Abstand geblieben war, bei Hannah war nur eines sicher: Sie hasste mich und wollte mir eins auswischen. Schließlich war ich diejenige, die mit Raffael auf dem Abschlussball getanzt hatte und jetzt den bestaussehenden Typen weit und breit als meinen Freund bezeichnen konnte, und nicht sie. Christopher als kleines Dankeschön für die Lebensrettung auf die Malediven einzuladen, wäre in ihren Augen ein überaus passendes
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