Tanz der Engel
großen Augen, die beinahe so schwarz wie ihre Haare schimmerten, stürmte sie auf mich zu und musterte mich, als wäre ich ein unerwünschter Floh im Fell ihrer Lieblingskatze.
»Sieh einer an. Du hast es doch tatsächlich geschafft, hier wieder aufzutauchen.«
Ich zuckte zusammen, als sie ungefragt meine Hände packte.
»Und die Klauen gestutzt hat man dir auch schon, wie ich sehe.«
Sobald sie meine Finger losließ, versteckte ich sie hinter meinem Rücken. Frau Klar war nicht gerade zimperlich mit ihnen umgegangen, als hätte sie gewusst, wo sie die empfindlichsten Stellen finden konnte.
»Dann wollen wir mal einen Blick auf dein Inneres werfen. Setz dich!«, befahl sie mir und deutete auf die Matte beim Fenster des großen Raumes, dessen weitläufige Verglasung an einen Wintergarten erinnerte.
Ich rührte mich keinen Zentimeter. Alles in mir sträubte sich, ihr einen Blick auf mein Seelenleben zu erlauben. Arons Arm umfasste meine Schulter.
»Es liegt an dir, was sie zu sehen bekommt«, flüsterte er mir ins Ohr, während er mich zu der Matte manövrierte.
Er selbst bezog mit Christopher Stellung an der Tür. Offenbar brauchte es zwei Bodyguards, um mich – von was auch immer – abzuhalten.
Obwohl es brannte wie Feuer, presste ich meine Fäuste zusammen. Jede Ablenkung war mir willkommen, als KassandraKlars Finger mein Gesicht fixierte und meine Augenlider zwang, offen zu bleiben. Ihr stechender Blick bohrte sich durch meine Pupillen und forderte mich heraus.
Ich ging nicht darauf ein, ließ ihr Gesicht vor meinen Augen verschwimmen und dachte an Christopher. Wieder einmal half mir seine Gegenwart. Zu wissen, dass er bei mir war, seinen Atem zu hören und seinen Duft wahrzunehmen, genügte, um Kassandra Klars Rühren in meiner Seele zu ertragen.
Frau Klar wurde energischer und rief meinen Namen. Doch sie benutzte den Namen Linde, auf den ich getauft worden war, und nicht den, auf den ich hörte. Schließlich gab sie auf.
»Mit dieser Einstellung wird nie ein Racheengel aus ihr. Aber vielleicht ist das auch gut so – nicht jeder ist dafür geeignet, ein Engel zu werden«, wandte sie sich an Aron, wobei der letzte Teil eindeutig an mich gerichtet war.
Um weiteren Gehässigkeiten zu entkommen, eilte ich zur Tür hinaus. Christopher fing mich ab. Ein Blick genügte ihm, um zu erkennen, dass ich mit mir kämpfte. Mein dunkles Ich wollte umkehren und Kassandra Klar die Zunge herausreißen. Christopher hielt mich zurück, und ich nahm, was er mir gab, klammerte mich an ihn und bediente mich an seiner Stärke. Arons missbilligenden Kommentar ignorierte ich.
Paul versüßte mir das Abendessen. Als wäre ich die Unschuld vom Lande, nahm er mich in die Arme und hauchte mir einen Begrüßungskuss auf die Wange. Christopher zuckte kurz, wartete, wie ich auf Pauls Umarmung reagierte, und ließ ihm dann sein Vergnügen.
»Wenn ich gewusst hätte, dass du dich wieder unter Engel mischen darfst, dann hätte ich meine Mittagspause mit dir und nicht mit den Kröten verbracht. Lass dich ansehen!«
Bevor er nach meinen Händen greifen konnte, verschränkte ich meine Arme hinter dem Rücken. Doch Paul interessierte sich gar nicht für sie, sondern für meine Haare.
»Könntest du mir zwei, drei Haare von dir geben? Sie sind lang genug, um sie zum Abschnüren zu nehmen. Susan weigert sich. Sie hat Angst, sie würden ihr nicht nachwachsen.«
Ich fragte nicht, was genau er damit vorhatte, riss mir ein paar meiner langen, dunkelbraunen Haare aus und reichte sie ihm.
»Kommst du morgen zu Kräuterkunde?«
»Nein. Aron beansprucht sie morgens immer für sich«, antwortete Christopher an meiner Stelle.
»Schade. Schlangen sind wirklich äußerst vielseitige Lebewesen.«
»Vor allem kann man gut Taschen aus ihnen machen«, fiel ich Paul ins Wort, um nicht mehr über ihre Verwendung in Kräuterkunde erfahren zu müssen. Auch zur Tasche verarbeitet fand ich die Viecher widerlich.
»Dann bis später, im Gemeinschaftsraum«, verabschiedete sich Paul.
Aus dem Treffen wurde nichts. Aron hatte mit dem Ende der Schonzeit nicht nur Kassandra Klar gemeint. Am Abend brummte er mir Krafttraining auf.
»Du hast gehört, was Ekin gesagt hat, und ich will ihn nicht enttäuschen, was dich betrifft.«
Ekins Meinung war mir egal. Doch die Aussicht, ihm irgendwann gegenüberzutreten, ohne dass er mich mit einer Hand umschubsen konnte, reizte mich. Dennoch fiel es mir schwer, Arons Anweisungen zu befolgen: Sit-ups mit jemandem, der
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