Tanz der Engel
dieses Mal erfolgreicher.«
Das Bild von Aron, wie er blutend auf den Knien kauerte, blitzte vor mir auf – und die Klauen einer Bestie um seinen Hals. Verzweifelt verbarg ich mein Gesicht in den Händen. So wollte ich nicht sein. Nie wieder!
»Es … es tut mir so leid. Ich wollte das nicht.«
»Ich weiß.« Aron legte seinen Arm beruhigend um meine zitternden Schultern. »Und ich habe dir schon längst verziehen.«
Sein überraschendes Eingeständnis ließ mich vollends zusammenbrechen. Haltlos schluchzte ich an seiner Brust. »Du glaubst mir, obwohl ich nicht mal richtig heulen kann?«
»Nur Menschen und Engel können das«, versuchte Aron mich zu trösten und bewirkte das genaue Gegenteil. Mit Engelsgeduld wartete er, bis ich mich wieder beruhigt hatte.
»Und jetzt lässt du mich weiterlaufen«, mutmaßte ich.
»Nein. Für heute hast du genug gelernt.« Behutsam hob Aron mich hoch und verwandelte sich zum Engel, ehe er mit mir zum Schloss flog und mich auf mein Zimmer brachte. Es war aufgeräumt. Nichts deutete mehr darauf hin, wie ich darin gewütet hatte.
Aron setzte mich auf dem blauen Sessel ab und ließ mich Schuhe und Strümpfe ausziehen. Kritisch begutachtete er meine Beine, bevor er vorsichtig meine verkürzten Sehnen dehnte und versuchte, die Knöchel aus ihrer Versteifung zu lösen. Ich stopfte mir ein Kissen zwischen die Zähne, um nicht jedes Mal aufzuschreien, wenn er über die Schmerzgrenze hinausging.
Aron behandelte gerade mein zweites Bein, als Christopher ins Zimmer stürmte. Wütendes Jadegrün funkelte in seinen Augen, als er mein schmerzverzerrtes Gesicht entdeckte.
»Aron, es reicht! Lass sie los!«
»Das hast du nicht zu entscheiden!«, hielt Aron dagegen.
Die Luft schien zu vibrieren. Christopher stand kurz davor, sich zum Racheengel zu verwandeln. Mein eigener Dämon erwachte und entzündete sich an Christophers Wut. Ich biss in das Kissen und zwang das Wesen zurück. Aron musterte mich beunruhigt, rührte sich aber nicht, während ich mit mir kämpfte, um einen Satz herauszubringen.
»Christopher, bitte! Aron … tut … mir nichts.«
»Ach nein?!«
»Er löst … nur meine … meine Verkrampfungen«, presste ich mühsam hervor.
»Aber wenn du glaubst, du kannst das besser – dann bitte!«, setzte Aron hinzu, ließ mich los und trat einen Schritt zurück.
»Nein … ich … Entschuldige, Aron. So meinte ich das nicht«, antwortete Christopher.
»Gut, dann kann ich jetzt ja weitermachen.« Ohne auf Christophers Erlaubnis zu warten, nahm Aron mein Bein und begann wieder, es vorsichtig zu dehnen.
Ich ließ das Kissen auf meinem Schoß, biss die Zähne zusammen und drehte mich von Christopher weg. Er musste nicht sehen, wie höllisch das weh tat.
Kapitel 13
Beherrschung
Z u glauben, am nächsten Tag nicht um den See rennen zu müssen, war ziemlich naiv.
»Du wirst jeden Morgen laufen. Genieß die Zeit, in der ich dich nicht begleite«, drohte Aron mit einem scheinheiligen Grinsen. »In zwei Stunden werde ich dich holen. Versuch, so weit wie möglich zu kommen, damit deine Beine wieder stärker werden – und verkürz die Pausen!«
Ich gab mein Bestes, ließ die Seemauer rechts liegen und schleppte mich bis zur Feuerwiese. Anstatt meine stechenden Beine abzukühlen, dehnte ich sie, wie Aron es mir gezeigt hatte. Es tat verdammt weh, aber danach ging es mir besser. Bis zum nördlichen Ende des Sees kam ich, ehe Aron mich einholte. Allerdings flog er mich diesmal nicht zurück, wie ich erwartet hatte, sondern ich musste ihn zum Schloss rudern.
Um meine Hände zu schonen, befestigte er die Paddel mit zwei Schlaufen an meinen Unterarmen, bevor er sich mir gegenüber, mit genüsslich hinter dem Kopf verschränkten Armen und einem Sklaventreibergrinsen, ins Boot setzte.
Als wir den Steg am Gelben Haus erreichten, wünschte ich mir, gelaufen zu sein. Schwere Arme, ein steifer Rücken und Schmerzen in den Beinen waren nicht gerade prickelnd. Aron verkniff sich ein Stirnrunzeln, als ich wie eine Hundertjährige aus dem Boot kletterte.
»Wenigstens bist du jetzt aufgewärmt«, sagte er, schnappte mich am Ellbogen und drängte zum alten Burghügel. »Genau wie ich besteht Ekin auf Pünktlichkeit bei seinen Schülern!«
Ekin, der Engel mit den nachtblauen Flügeln, erwartete uns in seiner menschlichen Gestalt. Gletscherblaue Augen unter strohblonden Wimpern und ebenso hellen Engelslocken beobachteten kritisch, wie ich steif den Hügel hochstakste – so würde ich bei ihm
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