Tanz der Engel
ausgebildet.«
»Lass mich raten: Christopher?«
»Ja.« Aron nickte. »Deshalb weiß er, wie er dich anfassen muss.«
Aron nahm mich mit in die Mensa und hielt direkt auf Christopher zu. Nervös zog ich an seinem Arm und blieb stehen. Christopher saß mitten in einer Gruppe von Engelschülern – und Schülerinnen –, von denen ich die meisten kannte.
»Hältst du das wirklich für eine gute Idee?«
»Jepp«, antwortete Aron mit einem süffisanten Grinsen. »Du musst dich daran gewöhnen, Christopher zu teilen – auch mit weiblichen Engeln«, setzte er hinzu.
»Aber du weißt, wie …« Ich verstummte, als ich sah, wie Christopher Susan ein herzliches Lächeln schenkte.
»Wie schnell du aus der Haut fährst?«, beendete Aron meinen Satz. »Aber genauso gut weiß ich, wie gerne du bei Christopher bist.« Das war ich. Allerdings nicht, wenn es darum ging, meine Eifersucht heraufzubeschwören, was offensichtlich Ziel dieser Übung war.
»Oder möchtest du abseitssitzen?«
Das wollte ich liebend gerne, doch Christopher hatte uns entdeckt. Jetzt den Rückzug anzutreten ging nicht mehr.
»Nein. Warum?«, fragte ich scheinheilig und lief weiter. Mit schwingenden Hüften versuchte ich locker und gleichzeitig verführerisch rüberzukommen, wuschelte Christopher durch seine goldblonden Haare und begrüßte ihn mit einem Kuss, der klarmachte, dass er mir gehörte. Aron war der Einzige, der sich wegdrehte, um nicht laut loszuprusten. Die anderen starrten mich an, als käme ich vom Mars. Selbst Christopher stutzte – was mich am meisten störte. Hatte er seit kurzem ein Problem damit, mich vor den anderen zu küssen?
Ich zog mich zurück. Das harmlose Mädchen gab es nicht mehr. Engel fürchteten sich vor der Unberechenbarkeit von Racheengeln. Christopher hatte lange daran gearbeitet, Anerkennung zu finden – und ich konnte ihm alles verderben.
»Ich wollte nur kurz hallo sagen. Aron lässt mich nur selten von der Leine«, begrüßte ich die Runde mit einem kurzen Kopfnicken. Dann machte ich auf dem Absatz kehrt und steuerte auf den Ausgang zu.
»Oh nein! So einfach kommst du nicht davon.« Aron schnitt mir den Weg ab. »Wenn du hier jetzt rausspazierst, lasse ich dich die ganze Nacht um den See laufen, und du siehst Christopher gar nicht mehr.«
Das mit dem See hätte ich vielleicht noch in Kauf genommen, aber auf Christopher verzichten? Niemals!
»Also gut. Du hast gewonnen«, presste ich zähneknirschend hervor und begleitete ihn zur Essensausgabe.
Christopher rückte mir einen Stuhl zurecht, als ich mit meinem vollbeladenen Tablett an seinen Tisch zurückkehrte. Ich versuchte, mein Unbehagen zu überspielen. Nicht nur die Eifersucht brannte in mir, sobald Christopher auch nur mit einem der Mädchen sprach. Die Blicke, die mir Markus und Erika – meine inzwischen wohl ehemaligen Freunde – zuwarfen, trafen mich besonders hart. Sie hatten Angst vor mir. Ihre Anspannung verriet sie. Ich hielt still und ließ mir nichts anmerken.
Lange musste ich mich nicht verstellen. Einer nach dem anderen beendete sein Essen und verließ fluchtartig die Kantine – allen voran Susan. Mit zusammengepressten Lippen und einem Blick, der töten konnte, räumte sie ihren halb leergegessenen Salatteller weg. Den Pudding hatte sie gar nicht erst angerührt.
»Aron, warum tust du das?«, fragte Christopher, als wir nur noch zu dritt zusammensaßen. Christopher war sauer – ich hatte alle vertrieben.
»Was regst du dich auf? Sie hat es gut gemacht.«
»Aber die anderen waren nicht darauf vorbereitet.«
Für Christopher zählte nicht, dass ich keinem an die Gurgel gesprungen war, sondern nur, dass alle weg waren. Dass er die Reaktion der anderen verteidigte und nicht meine, hinterließ ein seltsames Gefühl bei mir. Es schnitt tief und verletzte etwas, wobei ich nicht genau sagen konnte, was.
Wenn es einen Tutor im Schloss der Engel gab, der mich von Anfang an nicht leiden konnte, so war das Kassandra Klar. Aron gab sich gar nicht erst die Mühe vorzutäuschen, das nicht zu wissen.
»Deine Schonfrist ist vorbei. Wenn du dich weiterentwickeln willst, musst du deine Seele kennenlernen.«
Ich schluckte. In mir gab es zwei Wesen, die miteinander kämpften. »Welche? Die gute oder die böse?«
»Es gibt nur eine Seele. Welcher Teil sich durchsetzt, liegt an dir.«
Zu meiner Überraschung wartete Kassandra Klar nicht allein auf mich. Christopher war bei ihr. Er verstummte, als wir eintraten. Frau Klar dagegen blühte auf. Mit
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