Tanz der Engel
und duckte mich, um Arons Schwerthieb zu entkommen. Christopher hatte seine Reflexe besser unter Kontrolle. Mit vor Wut funkelnden Augen wich er zurück.
»Lynn, bist du von allen guten Geistern verlassen?!«
»Ekin! Schaff sie aus dem Weg!«, blaffte Aron im selben Moment.
Ekin blieb mit verschränkten Armen dort, wo er war. Sein Grinsen war verschwunden, stattdessen lag Anerkennung auf seinem Gesicht. Zwischen den erhobenen Schwertern von einem wütenden und einem zornigen Engel schien seiner Meinung nach genau der richtige Platz für mich zu sein. Mir hingegen wurde erst, als Arons Schwert erneut in meine Richtung zuckte, bewusst, wie riskant mein Dazwischenfunken war. Trotzdem rührte ich mich keinen Millimeter. Aron würde es nicht wagen, mich vor Christophers Augen zu verletzen – zumindest hoffte ich das.
Kurz vor meiner Kehle kam Arons Waffe zum Stillstand.
»Aus dem Weg, Lynn! Das hier geht dich nichts an.«
»Ach nein?! Dann streitet ihr also nicht meinetwegen?«
»Nein«, antworteten Aron und Christopher wie aus einem Mund – offenbar hielten beide mich für ziemlich beschränkt.
Um ihnen zu zeigen, dass ich nicht bereit war, klein beizugeben, stemmte ich meine Beine in den Boden und verschränkte – wie Ekin – meine Hände vor der Brust.
»Dann klärt mich bitte auf, warum ihr mein Training stört.«
Aus dem Augenwinkel sah ich Ekin breit grinsen. Von seiner Seite aus drohte mir keine Gefahr. Bei Aron war ich mir da nicht so sicher. Christopher gegen sich zu wissen, verstärkte nicht nur seine Anspannung, sondern weckte eine Seite, die ich bei Aron nicht kannte: Er war bereit, sich durchzusetzen – selbst wenn er seinen Freund oder mich dabei verletzen musste.
»Christopher befürchtet, dass deine Ausbildung zum Racheengel dich überfordert«, begann Aron, während er die weiße Klinge seines Schwertes langsam von meiner Kehle zu meinem Herzen wandern ließ.
Ich hielt still, obwohl ich innerlich zitterte wie ein frisch geschorenes Lamm im Schneesturm.
»Er glaubt, dass deine Seele zu schwach und dein Herz zu weich ist.«
»Bei dem, was ich vorhabe, spielt das keine Rolle«, unterbrach Christopher ihn.
Ungeachtet von Arons einschüchternder Waffe drehte ich mich zu Christopher um und funkelte ihn wütend an. »Vielen Dank für deine Unterstützung. Dass auch du mich für ein Weichei hältst, baut mich wirklich auf! Aber im Gegensatz zu dir versucht Ekin nicht, mich in Watte zu packen – und wie ich gehört habe, wurdest du das auch nicht.«
Heißes Jadegrün loderte in Christophers Augen. Mein Herz zog sich zusammen, als hätte er mich geschlagen. Noch bevor ich meine Worte entschärfen konnte, mischte Aron sich ein.
»Christopher, wenn es nicht unbedingt notwendig wäre, dannwürde ich ihre dämonische Seite bestimmt nicht heraufbeschwören. Ich versuche aus ihr einen Racheengel zu machen und habe nicht vor, meine Macht zu missbrauchen.«
Ich drehte mich wieder zurück zu Aron, der sein Schwert noch immer auf mich gerichtet hielt. » Das möchte ich bitte schriftlich!«
»Du hast zwei Zeugen. Außerdem kann ich in meiner Engelsgestalt nicht lügen«, antwortete er. Der aggressive Zug um seinen Mund verschwand für einen kurzen Moment und offenbarte den gutmütigen Engel, den ich kennengelernt hatte.
»Dann erklär mir, wo das Problem von dir und Christopher liegt.«
»Christopher will dir zeigen, was du werden kannst, damit du nicht den Fehler begehst, Gefallen an deinem Dämonenerbe zu finden.«
»Und wie soll das gehen?«
Aron senkte sein schneeweißes Schwert und schaute an mir vorbei. Ich folgte seinem Blick. Auf Christophers Gesicht spiegelte sich Härte und Entschlossenheit.
»Indem Christopher dir seine andere Seite zeigt.«
»Aber …«, ich verstummte, als ich einen Teil von dem begriff, was Aron mir zu erklären versuchte. Auch in Christopher schlummerte etwas Böses – etwas, das ich von mir selbst kannte. »Ich glaube nicht, dass ich eine Gedächtnisstütze brauche. Meine Erinnerung an den Angriff auf Christopher ist noch völlig intakt.«
»Was du erfahren hast, ist nur ein Bruchteil dessen, was aus dir werden kann«, erklärte Aron.
»Und Christopher glaubt, es würde mir helfen, wenn ich … wenn ich sehe, wozu er …« Ich überließ mich meinen Gedanken, ohne sie laut auszusprechen. Ich war zu einem gewalttätigen Monster mutiert. Gab es noch eine Steigerung? Und wenn ja, wollte ich die dann hautnah erleben? Konnte ich Christopherjemals wieder in die
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