Tanz der Engel
Bekanntschaft mit seinem Maniküreset zu machen.
Ich zog meine Beine an und umschlang meine Knie. Nur einmal zuvor war Christopher so abweisend gewesen: als er den Zugang zum Schloss der Engel zerstörte und seine Liebe leugnete, damit ich ihm nicht folgen konnte.
Versuchte er erneut, eine Barriere zwischen uns zu errichten? Um mich abzuschrecken oder mir die Gelegenheit zu geben, einen Rückzieher zu machen, falls sein Dämonenwesen mich abstieß? Beide Möglichkeiten gefielen mir nicht.
Ich legte meine Stirn auf die Knie und hörte auf, Christopher zu beobachten, wie er in seinem Schrank stöberte, und mir gleichzeitig Gedanken über das Bevorstehende zu machen.
»Kommst du?« Christophers Frage schreckte mich auf. Er stand vor dem mannshohen Marmorkamin und winkte mich zu sich. Seine Miene war so ausdruckslos wie der kalte Stein, vor dem er auf mich wartete.
Doch anstatt ihm gefasst zu folgen, fühlte ich Panik in mir aufsteigen. Mein Zögern löste erneut Christophers Missbilligung aus. Er erwartete Mut und Vertrauen, doch ich war ängstlich und feige. Schließlich kam er zu mir herüber, zog mich auf die Beine und nahm mich in die Arme.
»Was auch immer passiert, vergiss nicht, dass ich dich liebe«, flüsterte er mit samtwarmer Stimme, ehe seine Lippen auf meine trafen und mir die Angst vor dem Versagen nahmen.
Christopher öffnete einen seitlich im Kamin verborgenen Durchgang und brachte mich über eine schmale Wendeltreppein den düsteren, von brennenden Ölschalen beleuchteten Flur, der zu dem Verlies führte, das ich bereits kannte. Bevor er durch die Tür ging, entzündete er eine Kerze, nahm seine Engelsgestalt an und verstärkte den Griff, mit dem er meine Hand hielt, als er gemeinsam mit mir den Schutzwall durchbrach. Vor der zweiten Barriere blieb er stehen und verwandelte sich zurück. Er wirkte ernst und in sich gekehrt. Sein dämonisches Erbe heraufzubeschwören, fiel ihm offenbar nicht so leicht, wie sich in einen Engel zu verwandeln.
»Christopher, wenn du …«
Er legte mir einen Finger auf den Mund und schüttelte den Kopf. Sein »Nein« klang dieses Mal deutlich sanfter, aber nicht weniger bestimmt. »Ich tue das nicht nur für dich. Dank meiner Bindung zu dir kann ich mich in deiner Welt bewegen, solange du lebst. Aber sie ermöglicht mir auch, deine Empfindungen besser wahrzunehmen. Und jedes Mal, wenn dein Dämonenerbe erwacht, wirkt sich das auch auf mich aus.«
»Du … du spürst dann auch den Drang, dich zu verwandeln?«
»Nein. Ich fühle den Widerspruch in dir.« Christopher klang rau vor Bitterkeit und Reue. Der warme Blick, mit dem er mich betrachtete, stand im Kontrast zu seiner schroffen Stimme – doch ich brauchte Sicherheit.
»Gibt es eine Möglichkeit, es rückgängig zu machen?«, fragte ich und versuchte, meine Unsicherheit nicht durchklingen zu lassen.
»Was genau meinst du damit?« Die Härte in Christophers Gesicht ließ mich frösteln – es wäre eindeutig besser gewesen, ihm diese Frage nicht zu stellen.
»Das mit der Bindung, damit du nicht …«
Wieder unterbrach mich Christopher. »Mich an dich zu binden, war das Beste, was ich je getan habe. Du hast mir gezeigt, dass ich – trotz allem, was ich war und bin – lieben kann. Dirjetzt zu helfen schmälert meine Schuld nur zu einem kleinen Teil.«
»Du schuldest mir gar nichts!« Ich wandte mich von ihm ab. Seine Hilfe als Gegenleistung zu sehen tat weh.
»Nur das Gefühl, geliebt zu werden«, flüsterte Christopher an meinem Ohr.
Sein Duft nach Blitz und Donner verwirrte und beruhigte mich zugleich, und ich sprach aus, wovor ich mich fürchtete.
»Und wenn ich danach nichts … nicht mehr dasselbe für dich empfinde?« Ich drehte mich zu Christopher, um in seinen Augen lesen zu können. Flüssiges Smaragdgrün verriet die Tiefe seiner Gefühle.
»Für die Liebe gibt es niemals Gewissheit, nur die Hoffnung auf Unendlichkeit. Doch ohne Wahrheit gibt es nicht einmal die.«
Mein Herz setzte aus. Christophers Liebe war stärker als alles andere in ihm. Er würde mich finden – was auch immer mit uns geschah.
Kapitel 15
Schattenseiten
M eine Hände zitterten, als Christopher sie zusammenband. Er benutzte denselben Strick wie beim Anlegen der Spangen. Mit einem Schaumstoffkeil fixierte er meine Finger, damit ich sie nicht durchbiegen konnte.
»Sollten deine Klauen hervordrängen, musst du deine Hände so fest wie möglich zusammenpressen. Du darfst sie nicht anwinkeln, sonst werden die Spangen
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