Tanz der Hexen
welchem Tag?«
Da sagte er nichts weiter, sondern fing wieder an, mich zu liebkosen.
Ich überlegte. »Und du?« fragte ich dann. »Bist du männlich oder weiblich, oder bist du einfach ein Neutrum?«
»Weißt du es nicht?« fragte er.
»Ich würde nicht fragen, wenn ich es wüßte.«
»Männlich!« sagte er. »Männlich, männlich, männlich, männlich!«
Ich unterdrückte ein Kichern über seinen prahlerischen Stolz.
Aber ich muß gestehen, daß er von diesem Augenblick an ein »es« und ein »er« für mich war, wie Sie an meiner Erzählung erkennen können. Zuweilen schien das Wesen so bar aller Vernunft zu sein, daß ich es nur als monströses Ding wahrnehmen konnte, und dann wieder nahm es einen unverwechselbaren Charakter an. Ertragen Sie also mein unstetes Hin und Her. Wenn ich es beim Namen nannte, dachte ich es mir oft als »er«. Und in Augenblicken des Zorns entkleidete ich es seines Geschlechts und verfluchte es als zu kindisch, um irgend etwas anderes als ein Neutrum zu sein.
Sie werden an der Erzählung erkennen, daß auch die Hexen es sowohl als »er« wie als »es« betrachteten. Und dafür gab es Gründe. Aber lassen Sie mich zu jenem Augenblick zurückkehren. Die Veranda. Das Wesen liebkost mich.
Als ich seiner Umarmungen überdrüssig war und mich umdrehte, stand meine Mutter in der Tür und beobachtete dies alles. Sie streckte die Hand aus, zog mich an sich und sagte: »Du wirst ihm niemals etwas tun! Er ist ein harmloser Junge!«
Und ich glaube, er antwortete ihr in ihrem Kopf, denn sie wurde still. Er war weg. Das wußte ich mit Bestimmtheit.
Am nächsten Morgen ging ich geradewegs ins Kinderzimmer, wo ich immer noch mit Rémy und Katherine und ein paar anderen lieben Cousins und Cousinen schlief, die besser vergessen bleiben.
»Bis zu dem Tag, da…« Das waren die Worte, die der Dämon gesprochen hatte. Und sie schienen mir machtvolle Bedeutung zu haben.
Auf der Stelle beschloß ich, schreiben zu lernen, und ich tat es innerhalb von sechs Monaten, wenngleich meine Handschrift ihre wahrhaft polierte Gestalt erst angenommen hatte, als ich beinahe zwölf war. Anfangs schrieb ich schnell und ungelenk.
Ich erzählte meiner Mutter alles, was der Dämon mir gesagt hatte. Sie war voller Angst. »Er kennt alle unsere Gedanken«, sagte sie flüsternd.
»Nun, sie sind ja nicht geheim«, sagte ich. »Aber wenn sie es wären, könnten wir Musik spielen, sooft wir darüber sprechen wollen.«
»Was soll das heißen?« fragte sie.
»Hat deine Mutter es dir nicht erzählt?«
Nein, gestand sie, ihre Mutter hatte nichts davon gesagt. Also tat ich es. Und sie fing an zu lachen, ebenso wild, wie sie am Abend zuvor geweint hatte; sie klatschte in die Hände, sank gar zu Boden und zog die Knie an. Und sogleich schickte sie nach den Musikern, die schon für ihre Mutter gespielt hatten.
Und im Schütze dieser wilden Kapelle erzählte ich ihr alles, was ich von Marie Claudette erfahren hatte.
Marguerite interessierte sich nicht für »alte Geschichte«. Das Wort Donnelaith hatte sie noch nie gehört, und von Suzanne wußte sie auch nicht viel. Sie war froh, daß ich das bemerkt hatte. Und es gab Geschichtsbücher, die sie mir geben würde.
Magie sei ihre Leidenschaft, erklärte sie, und sie erzählte mir in allen Einzelheiten, daß ihre Mutter ihre Talente nie zu würdigen gewußt habe. Schon vor langer Zeit hatte sie, Marguerite, sich mit den mächtigen Voodoo-Zauberinnen von New Orleans angefreundet. Sie hatte von ihnen gelernt, und jetzt pflegte sie mit gutem Erfolg zu heilen, zu verzaubern und Flüche zu verhängen, und bei alldem sei Lasher ihr getreuer Sklave und Liebhaber.
Hier begann ein Gespräch zwischen meiner Mutter und mir, das ihr Leben lang währen sollte; sie gab alles, was sie wußte, ohne Vorbehalte an mich weiter, und ich erzählte ihr alles, was ich wußte. Endlich war ich ihr nah, in ihren Armen, und sie war meine Mutter.
Aber bald war mir klar, daß meine Mutter verrückt war. Oder wollen wir sagen, sie war manisch fixiert auf ihre magischen Experimente? Sie war anscheinend sicher, daß Lasher der Teufel war und daß alles, was er sagte, gelogen sein konnte; ja, womöglich war das einzig Wahre, das sie von mir erfahren hatte, der Trick mit der Musik, mit dem man ihn aussperren konnte. Ihre eigentliche Leidenschaft war es, im Sumpf nach Zauberpflanzen zu suchen, mit den alten schwarzen Weibern über bizarre Heilverfahren zu reden und zu versuchen, Gegenstände mit Hilfe von
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