Tanz der Hexen
sie war.
Ich schaute mich um und sah, daß die Haustür, durch die ich eben geschritten war, ebenso geformt war, und da stand er, als sei er nie irgendwoanders gewesen, ein Mann wie ich, mit den Händen am Türrahmen, und spähte zu mir herein.
»Möchtest du nach dem Tode weiterleben, Julien? Von all meinen Hexen fragst du mich am wenigsten nach dieser endgültigen Finsternis.«
»Du weißt darüber nichts, Lasher«, antwortete ich. »Das hast du selbst gesagt.«
»Sei nicht grausam zu mir, Julien. Nicht heute nacht. Ich bin froh, hier zu sein. Möchtest du nach dem Tode weiterleben? Möchtest du verweilen? Bleiben? Das will ich von dir wissen.«
»Ich weiß es nicht. Wenn der Teufel versuchen sollte, mich in die Hölle zu holen, dann würde ich vielleicht verweilen und bleiben, falls du das meinst: eine Seele im Fegefeuer, die umherschweift und den Voodoo-Queens und Spiritualisten erscheint. Ich glaube, das könnte ich.«
Ich drückte meine Zigarre im Aschenbecher auf dem Marmortisch aus, der auch jetzt noch da steht, bis zum heutigen Tag, dort unten im Flur.
»Ist es etwa das, was du getan hast, Lasher? Bist du ein frevelhafter Mensch, der ein Geist geworden ist und für alle Zeit umgeht, und der nun versucht, sich in ein ganz unverdientes Mysterium zu hüllen?«
»Julien«, sagte er und formte die Worte tatsächlich mit dem Mund; so stark war er. »Vielleicht sind alle Mysterien in ihrem Kern gar nichts. Vielleicht ist die ganze Welt aus Müll.«
»Und du warst dabei, als sie gemacht wurde?«
»Das weiß ich nicht.« Er imitierte meinen sarkastischen Tonfall haargenau. Er zog die Brauen hoch, wie ich es tat. Nie hatte ich ihn so stark gesehen.
»Mach die Tür zu, Lasher, wenn du so mächtig bist.«
Und zu meinem Erstaunen faßte er den Türknauf, kam herein und schloß die Tür, wie ein Mensch es getan hätte. Das war die Grenze für ihn, denn es war eine unglaubliche Leistung. Er war fort. Die Luft hielt seine Wärme noch, wie sie es immer tat.
»Bewundernswert«, flüsterte ich.
»Erinnere dich an dieses Haus, wenn du verweilen oder zurückkommen möchtest; erinnere dich an seine Muster. In der trüben Welt im Jenseits werden sie dir in die Augen leuchten und dich nach Hause führen. Dies ist ein Haus für kommende Jahrhunderte. Dieses Haus ist der Geister der Toten würdig; es ist ein Haus, in dem du ungefährdet bleiben kannst. Krieg oder Revolution oder Feuer oder die Fluten des Flusses werden dir nichts anhaben. Ich wurde einst… von zwei Mustern… gehalten. Von zwei einfachen Mustern. Von einem Kreis, und von Steinen in der Form eines Kreuzes… zwei Muster.«
Ich prägte es mir ein. Neuerlicher Beweis dafür, daß er nicht der große Teufel selbst war. Ich ging die Treppe hinauf. Soeben hatte ich ein bißchen mehr aus ihm herausbekommen als sonst, aber es war eigentlich immer noch nicht viel. Und dann war Katherine da. Ich fand sie wach; sie stand am Fenster.
»Wo warst du?« fragte sie mich atemlos. Und dann warf sie mir die Arme um den Hals und schmiegte sich an mich. Mir war, als rege sich Lasher neben uns. Ich befahl ihm im Geiste: Komm jetzt nicht her; du wirst ihr angst machen. Ich hob ihr Kinn, wie Männer es bei Frauen tun – obgleich ich nicht weiß, wie die kleinen Wesen das ertragen -, und ich küßte sie.
Und im selben Augenblick erlebte ich eine Überraschung. Ich fühlte den Druck ihrer Brüste. Sie trug nichts als ein weiches, weißes Nachthemd, und ich spürte ihre Brustwarzen, ihre Hitze, und dann schien ein heißer Strom von ihren Lippen zu fließen. Aber als ich zurückwich und sie anschaute, sah ich nur Unschuld. Ich sah auch eine Frau. Eine schöne Frau. Eine Frau, die ich geliebt hatte, die sich gegen mich gestellt und mich um eines anderen willen beiseite geschoben hatte. Ich sah einen Körper, den ich liebte, wie ein Bruder seine Schwester lieben soll; alles daran war mir vertraut, seit wir als Kinder umhergetollt und miteinander geschwommen waren, und doch war es der Körper einer Frau, und er lag in meinen Armen, und in einem Augenblick der Tollkühnheit küßte ich sie wieder, und dann noch einmal, und sogar noch einmal, und ich spürte, daß sie in Glut geriet.
Ich war entsetzt. Dies war meine kleine Schwester Katherine. Ich führte sie zum Bett und legte sie hin; sie schien verwirrt, als sie mich anschaute – wage ich zu sagen, verzaubert? Hielt sie mich für Darcy, der zurückkam?
»Nein«, flüsterte sie da, »ich weiß, daß du es bist. Ich habe dich
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