Tanz der Hexen
unter amerikanischen Freunden und Verrätern. Katherine glaubte, sie habe den Familienfluch hinter sich gelassen. Tatsächlich hatte sie noch an ihrem Hochzeitstag den Smaragd zurückgegeben.
Die Familie war in Aufruhr. Die Hexe war fort. Zum ersten Mal hörte ich, wie viele das Wort tuschelnd aussprachen. »Aber sie ist die Hexe!« sagten sie. »Wie kann sie uns verlassen?«
Und der Smaragd. Er lag bei Mutter auf der Kommode zwischen all ihrem Voodoo-Kram wie ein Stück scheußlicher Glitzerschmuck. Schließlich nahm ich ihn und hängte ihn einer Gipsmadonna um den Hals.
Unterdessen führte der Dämon mir immer neue Geliebte zu und beobachtete so eifrig wie immer, was dann vor sich ging. Und er imitierte mich mehr und mehr. Sogar wenn er Mutter besuchte, tat er es jetzt in meiner Gestalt. Er schien jedes Gefühl seiner selbst verloren zu haben, wenn er es je gehabt hatte.
»Wie siehst du in Wirklichkeit aus?« fragte ich.
»Gelächter. Was soll eine solche Frage?«
»Wenn du Fleisch bist, wie wirst du dann sein?«
»Wie du, Julien.«
»Warum nicht so, wie du zu Anfang warst? Braunhaarig und mit braunen Augen?«
»Das war nur für Suzanne; es war das, was Suzanne sehen wollte. Aber ich möchte wie du sein. Du bist schön.«
Dann kam das Jahr 1871. Im Sommer wütete das Gelbfieber, wie es das immer tat, unter den neuesten Einwanderern.
Darcy, Katherine und ihre Söhne hielten sich seit einiger Zeit im Ausland auf; sechs Monate lang, genau gesagt, waren sie in Europa gewesen, und kaum hatte der hübsche Ire seinen Fuß wieder an unser Ufer gesetzt, da streckte ihn das Fieber nieder.
Vermutlich hatte er im Ausland seine Immunität dagegen verloren – ich weiß es wirklich nicht; die Iren starben immer an dieser Krankheit, und wir bekamen sie nie. Katherine verfiel in Raserei. Sie schickte mir Briefe in die Rue Dumaine; ich solle bitte kommen und ihn heilen.
Ich fragte Lasher. »Wird er sterben?«
Lasher erschien am Fußende meines Bettes, gesammelt, die Arme verschränkt, gekleidet wie ich am Tag zuvor – eine Illusion natürlich.
»Ich glaube, er wird sterben«, sagte er. »Und vielleicht wird es auch Zeit. Sei unverzagt. Nicht einmal eine Hexe kann gegen dieses Fieber irgend etwas tun.«
Ich war nicht so sicher. Aber als ich mich an Marguerite wandte, fing sie an zu gackern und herumzuhüpfen. »Laß den Bastard nur sterben, und seine ganze Brut mit ihm.«
Ich war empört. Was hatten Clay und Vincent denn getan, diese beiden unschuldigen Kinder, außer daß sie als Knaben zur Welt gekommen waren wie ich und mein Bruder Rémy?
Ich kehrte in die Stadt zurück und überlegte, was zu tun sein; ich befragte Ärzte und Krankenschwestern, und natürlich wütete das Fieber, wie es das bei heißem Wetter immer tat, und auf den Friedhöfen türmten sich die Leichen. Die Stadt stank nach Tod. Große Feuer wurden angezündet, um die bösen Dünste zu vertreiben
Dann starb Darcy. Er starb. Und Katherines Kutscher stand vor meiner Tür.
»Er ist tot, Monsieur. Ihre Schwester bittet Sie, zu kommen.«
Was blieb mir übrig? Nie hatte ich einen Fuß in das Haus in der First Street gesetzt, seit es fertig war. Den armen kleinen Clay oder Vincent hatte ich noch nie gesehen! Und meiner Schwester war ich auch seit einem Jahr nicht mehr begegnet, von einem Streit auf der Straße abgesehen. Plötzlich bedeuteten mir meine Reichtümer und meine Freuden gar nichts mehr. Meine Schwester bat mich, zu kommen.
Ich mußte hingehen, und ich mußte ihr verzeihen. »Lasher, was soll ich tun?«
»Das wirst du sehen.«
»Aber es gibt keine Frau, die die Linie weiterführt! Sie wird als Witwe hinter verschlossenen Türen dahinwelken. Du weißt das. Ich weiß es.«
»Du wirst es sehen«, wiederholte er. »Geh zu ihr.«
Die ganze Familie hielt den Atem an. Was würde geschehen?
Ich ging zum Haus in der First Street. Es war ein regnerischer Abend, heiß und brodelnd, und in den irischen Slums, nur wenige Straßen weiter, stapelten sich die Fieberopfer in den Gossen.
Gestank wehte im Wind vom Fluß herauf. Aber da stand dieses Haus, wie es immer dastand, majestätisch zwischen den Eichen und Magnolien, ein schmales, hochaufgeschwungenes Schloß mit Bastionen und Mauern, die scheinbar unzerstörbar sind. Ein tiefes, geheimnisvolles Haus, anmutig angelegt und doch irgendwie bedrohlich.
Ich mußte die Tür aufbrechen, um ins Haus zu gelangen – ob mit Lashers Hilfe oder aus eigener Kraft, das weiß ich nicht, aber sie gab mir
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