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Tanz der Hexen

Tanz der Hexen

Titel: Tanz der Hexen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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Gedanken und Absichten ergründen konnte.
    Es dämmerte, als ich das Haus erreichte. Wie ein großes Schloß stand es da, das Mauerwerk verputzt und mit imitierten Steinvorsprüngen in Stuck überzogen, die Säulen an Ort und Stelle, die Fensterrahmen bereit für die Verglasung. Und es war dunkel und verlassen.
    Ich ging hinein, und auf dem Fußboden im Salon fand ich meine geliebte Schwester und ihren Mann. Fast hätte ich ihn umgebracht. Ja, ich hatte ihn schon bei der Gurgel und schlug mit der Faust auf ihn ein, als Katherine zu meinem Entsetzen schrie: »Komm jetzt, mein Lasher. Sei mein Rächer. Laß nicht zu, daß er den vernichtet, den ich liebe.«
    Kreischend und schluchzend fiel sie zu Boden und verlor das Bewußtsein. Aber Lasher war da. Ich fühlte, daß er mich im Dunkeln umgab, als wäre er ein mächtiges Seeungeheuer und ich sein hilfloses Opfer. Finsternis umgab mich im Doppelsalon da unten; ich spürte, wie das Ding sich ausdehnte und an den Wänden entlangstrich, um dann wieder zusammenzukommen.
    »Bezähme dich, Julien«, sagte Lasher. »Die Hexe liebt diesen Sterblichen. Sieh dich vor. Sie hat uralte und geheiligte Worte benutzt, um mich zu rufen.«
    Darcy Monahan kam auf die Beine und wollte sich auf mich stürzen. Lasher hielt seine Faust fest. Er war so abergläubisch wie jeder mit irischem Blut in den Adern; er schaute sich um und spürte die Anwesenheit des Geistes im Dunkeln, aber dann sah er seine geliebte Katherine, ein stöhnendes Häuflein Elend, und er lief hin, um sie wieder zu sich zu bringen.
    Wütend marschierte ich zur Tür hinaus, kehrte in meine Wohnung in der Rue Dumaine zurück und ließ mir mehrere Mischlingshuren kommen. Ich paarte mich nacheinander mit allen und gab mich ganz meinem Schmerz hin. Katherine und dieses irische Vieh, in der Vorstadt, im Land der Amerikaner.
    Wenn ich auf die Geschichte zurückblicke, sehe ich, daß ich ihr zuviel Wissen vorenthalten hatte. Sie dachte, »der Mann« sei ein Gespenst oder sonst etwas Einfaches. Sie ahnte nicht, wozu Lasher imstande war, wenn sie ihn rief.
    »Weißt du«, sagte ich später zu ihr, »wenn du mich umbringen willst, dann brauchst du ihn nur noch einmal so zu rufen, und er wird es tun.«
    Ich war nicht sicher, ob es stimmte, aber ich wollte einfach nicht, daß sie Flüche gegen mich schleuderte. Erst hatte sie mich mit Darcy betrogen, dann mit Lasher, und sie war die Hexe; ich hatte sie nur mein Leben lang abgeschirmt. »Du weißt nicht, was du da heraufbeschwörst«, sagte ich ihr. »Ich habe dich davor bewahrt.«
    Sie war entsetzt und brach betrübt in Tränen aus, aber sie war auch entschlossen, Darcy Monahan zu heiraten. »Du brauchst mich nicht mehr zu beschützen«, sagte sie. »Ich werde den Smaragd um den Hals tragen, wenn ich heirate, wie es das Gesetz unserer Familie vorschreibt, aber ich werde im Hause Gottes vor Seinem Altar heiraten, und meine Kinder werden in Seinem Brunnen getauft werden und sich abwenden von dem Bösen.«
    Ich zuckte mit den Achseln. Wir hatten immer vor einem katholischen Altar geheiratet, nicht wahr? Und getauft waren wir auch alle. Was bedeutete das schon? Aber ich sagte nichts.
    Meine Mutter und ich nahmen uns vor, sie von Darcy abzubringen. Aber es ging nicht. Ja, sie war sogar bereit, um dieses irischen Narren willen auf das Erbe zu verzichten – zumindest erzählte sie das überall. Die Verwandtschaft kam in Scharen zu mir. Was wird geschehen? Was sagt das Gesetz? Wird unser Glück zu Ende sein? Da war mir klar, wieviel sie von dem dunklen, geheimen Dampfkessel des Bösen wußten, der unser Imperium vorantrieb, und ich sah auch, wie bereitwillig sie sich dem fügten.
    Aber Lasher gab die Braut fort.
    »Laß sie den Kelten heiraten«, sagte er. »Dein Vater hatte auch irisches Blut, und darin schwammen die Hexentalente, die in solchem Blut schon seit Jahrhunderten schwimmen. Die Iren und die Schotten sind mit dem zweiten Gesicht begabt. Das Blut deines Vaters hat dich stark gemacht. Laß uns sehen, was dieser Ire mit deiner Schwester zuwege bringt.«
    Aber Sie kennen die Geschichte. Katherine verlor zwei Kinder, zwei Knaben. Dann bekam sie zwei Söhne, und danach verlor sie ein Baby nach dem anderen, all ihren Gebeten und Messen, ihren Rosenkränzen und Priestern zum Trotz.
    Als der Bürgerkrieg tobte und die Stadt fiel, als große Vermögen über Nacht vernichtet wurden und die Yankee-Truppen durch unsere Straßen zogen, da zog sie ihre Knaben in dem Haus in der First Street auf,

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