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Tanz der Hexen

Tanz der Hexen

Titel: Tanz der Hexen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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kam sie nicht mehr mit, konnte sich nicht mehr recht erinnern, wer Michael war oder warum sie das hatte sagen wollen.
    »Mutter, verlaß mich nicht!«
    Ihre Augen öffneten sich für eine kostbare Sekunde. Ja, sehen, und da war der Purpurhimmel und eine große, gertenschlanke Gestalt, die vor ihr stand. Das konnte nicht ihr Kind sein, nein, nicht das, nicht diese Frau, die da aus der Dunkelheit heraufragte wie ein groteskes Gewächs aus der warmen, grünen Erde, etwas Monströses und…
    »Nein, Mutter. Nein, ich bin schön. Mutter, bitte, bitte, verlaß mich nicht.«

 
19

    Die Lage war nicht peinlich. Sie war glattweg verrückt. Er telefonierte jetzt seit fünfundvierzig Minuten mit den Kepplinger-Leuten.
    »Hören Sie«, sagte der junge Arzt am anderen Ende. »Hier steht, daß Sie selbst gekommen sind und die Akten geholt haben.«
    »Verdammt noch mal, ich bin in New Orleans, Louisiana, Sie Trottel, und ich war gestern den ganzen Tag hier. Ich bin im Pontchartrain Hotel. Ich habe überhaupt nichts abgeholt. Wollen Sie mir sagen, daß das Material weg ist?«
    »Ja, das ist es, Dr. Larkin. Absolut.«
    »Was Mitch betrifft – wie geht’s ihm?«
    »Oh, er wird nicht durchkommen, Dr. Larkin. Wenn Sie ihn sehen könnten, würden Sie es ihm auch nicht wünschen. Hören Sie, seine Frau ist in der anderen Leitung. Ich rufe Sie wieder an.«
    »Nein, das werden Sie nicht tun. Sie werden untertauchen. Sie wissen, was da passiert ist. Jemand hat widerrechtlich das Material an sich genommen, das Rowan Mayfair mir anvertraut hatte. Ihr habt Mist gebaut! Und Flanagans Zustand ist kritisch. Er ist außerstande, zu kommunizieren.«
    Am anderen Ende trat eine Pause ein. Dann war die junge, spröde Stimme wieder zu hören.
    »Korrektur. Dr. Flanagan ist tot. Er ist vor zwanzig Minuten gestorben. Ich muß Sie später wieder anrufen, Doktor.«
    »Ich rate Ihnen, finden Sie die Aufzeichnungen. Finden Sie die kompletten, vollständigen Computeraufzeichnungen jedes einzelnen Experiments, das Mitch Flanagan im Auftrag von Dr. Samuel Larkin für Dr. Rowan Mayfair durchgeführt hat.«
    »Haben Sie einen Beleg dafür, daß Sie uns diese Sachen geschickt haben?«
    »Ich habe sie Ihnen gebracht.«
    »Und das waren Sie, der echte Dr. Larkin, der das Zeug gebracht hat – nicht etwa jemand, der anscheinend nur so getan hat, als wäre er Sie? Wie dieser Arzt gestern, der Sie nicht waren? Der aber behauptete, er sei Sie? Ich habe eine Videoaufnahme von ihm. Er ist groß und dunkelhaarig, und er hält seinen Ausweis vor die Kamera, einen kalifornischen Führerschein: Dr. Samuel Larkin. Und jetzt sagen Sie, Sie sind Samuel Larkin.«
    Lark war sprachlos. Er räusperte sich.
    Er merkte, daß er Ryan Mayfair anstarrte, der schon eine ganze Weile dastand und ihn aus dem Dunkel des Büros beobachtete. Die ändern warteten noch im Besprechungsraum, ein ferner, feierlicher Kreis von Gesichtern rings um den Mahagonitisch.
    »Okay, Dr. Barry Wie-Sie-auch-heißen-mögen«, sagte Lark. »Ich werde Ihnen durch meinen Anwalt eine komplette Beschreibung meiner Person sowie Kopien meines Passes, meines Führerscheins und meines Universitätsausweises zukommen lassen. Dann werden Sie sehen, daß ich nicht der Mann auf Ihrem Video bin. Und bitte behalten Sie das Video. Geben Sie es nicht heraus, auch nicht, wenn jemand kommt und sagt, er sei die Reinkarnation J. Edgar Hoovers. Und in der Tat, jawohl, ich bin Dr. Samuel Larkin, und wenn Sie mit Martha Flanagan sprechen, dann richten Sie ihr bitte mein Mitgefühl aus. Machen Sie sich nicht die Mühe, deswegen die Polizei von San Francisco anzurufen. Das werde ich übernehmen.«
    »Sie vergeuden Ihre Zeit, Doktor. Wenn es ein Mißverständnis gegeben hat, dann haben wir unmöglich wissen können, daß dieser Mann nicht derjenige war, für den er sich ausgab. Vergessen Sie die Polizei; Sie wissen ebenso gut wie ich -«
    »Ich rate Ihnen, finden Sie die Aufzeichnungen, Doktor. Es muß Kopien geben!«
    Er legte auf, noch bevor der junge Clown antworten konnte.
    Er kochte vor Wut. Aber er war zugleich wie vom Donner gerührt. Flanagan war tot. Von einem Auto überfahren, als er die California Street überqueren wollte. Er könnte sich nicht erinnern, jemals gehört zu haben, daß in dieser Ecke irgend jemand umgekommen war, abgesehen von einem Fahrer von außerhalb, der an einem Regentag versucht hatte, ein Wettrennen mit dem Cable Car zu veranstalten.
    Er stand auf. Er wußte nicht, was er sagen sollte. Er wußte

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