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Tanz der Hexen

Tanz der Hexen

Titel: Tanz der Hexen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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Ihr Hotel.«
    »Mit anderen Worten, Sie glauben alles, was ich Ihnen erzählt habe! Sie glauben, daß diese Kreatur…«
    »Wir wissen es«, sagte Ryan. »Jetzt gehen Sie bitte. Ziehen Sie sich ins Pontchartrain zurück, machen Sie es sich bequem und gehen Sie nicht aus. Gerald und Carl werden bei Ihnen bleiben.«
    Aaron hatte Lark beim Arm genommen, bevor er antworten konnte; er führte ihn hinaus ins Büro und in den Korridor des Gebäudes. Lark sah die beiden jungen Männer: zwei weitere Mayfairs, wie mit der Plätzchenform ausgestochen, in hellen Schurwollanzügen mit zitronengelben oder pinkfarbenen Krawatten.
    Gemeinsam gingen sie in Richtung Aufzug. Davor standen zwei uniformierte Polizisten. Die beiden jungen Männer gingen wortlos an ihnen vorbei.
    Als sie drinnen und auf dem Weg nach unten waren, fing der Jüngere an zu sprechen.
    »Es ist alles meine Schuld«, sagte er. Es war der, den sie Gerald nannten. Er konnte nicht älter als fünfundzwanzig sein. Der andere – älter, schlanker und insgesamt ein bißchen härter – fragte: »Wieso?«
    »Ich hätte das Haus anzünden sollen, wie Carlotta es wollte.«
    »Welches Haus?« wollte Lark wissen.
    Keiner antwortete. Er wiederholte seine Frage, aber er merkte, daß sie ihm gar nicht zuhörten. Also sagte er nichts weiter.
    Im Foyer des Gebäudes wimmelte es von uniformierten Sicherheitsleuten, Polizisten und anderem scheinbar amtlichen Personal; einige dieser Leute schauten sie unbeteiligt an. Lark sah die große Limousine, die draußen im unangenehm grellen Licht der Quecksilberlampen zu schweben schien.
    »Was ist mit Rowan?« fragte er. »Sucht denn irgend jemand nach Rowan?«
    Aber wieder antwortete ihm keiner der beiden. Sie schienen ihn nicht einmal zu hören. Ihm blieb nichts weiter übrig, als in den ledergepolsterten Wagen zu steigen. Eistorte. Im Pontchartrain gab es ungefähr die beste Eistorte, die er je gegessen hatte. Das war vermutlich alles, was er wollte. Nur Kaffee mit Zichorie und Eistorte…
    »Das will ich, wenn wir da sind. Kaffee und Eistorte.«
    »Na klar«, sagte Gerald, als hätte Lark zum ersten Mal etwas Vernünftiges gesagt.
    Lark lachte bei sich. Er fragte sich, ob Martha wohl auch so viele Verwandte hatte, die sie zu Flanagans Beerdigung begleiten würden.

 
20

Juliens Geschichte wird fortgesetzt
    Lassen sie mich jetzt rasch zur Sache kommen. Ich bekam die trostlose Traumlandschaft von Donnelaith erst im Jahr 1888 zu Gesicht. Meine »Erinnerungen« setzten sich ziemlich unverändert fort, wenngleich sich zunehmend verwirrendes Material hineinmischte.
    Inzwischen war Mary Beth zu einer machtvollen Hexe herangewachsen, gescheiter, raffinierter und philosophisch interessanter als Katherine, Marguerite und selbst Marie Claudette, soweit ich derlei beurteilen konnte. Aber Mary Beth gehörte auch einem neuen Zeitalter an – der Nachkriegszeit, der Post-Krinolinen-Zeit, wie man sagte.
    Sie wurde meine Vertraute und meine einzige Freundin.
    Ich hatte viele Affären in jenen Tagen, mit Männern und mit Frauen. Ich war verheiratet. Meine liebe Frau Suzette, die ich auf meine selbstsüchtige Art sehr liebte, schenkte mir vier Kinder. Ich wünschte, ich könnte Ihnen von alldem erzählen, denn in gewisser Weise ist ja alles, was ein Mann tut, Bestandteil des moralischen Gewebes, aus dem er besteht und das er ist. Und das war nie so wahr wie in meinem Fall.
    Aber wir haben keine Zeit. Ich will also nur erklären: Wie nah mir Frau, Geliebte und Kinder auch stehen mochten, es war doch immer Mary Beth, die meine Freundin war und die das Geheimnis des Wissens um Lasher und all die damit verbundenen Bürden und Gefahren mit mir teilte.
    New Orleans war in jener ganzen Periode vom Laster durchseucht – ein großartiger Ort für Huren, Spieler und diejenigen, die bloß zuschauen beim Spektakel des Lebens in all seiner Verkommenheit und Gewalttätigkeit. Ich liebte das alles, bewegte mich furchtlos mitten darin und frönte meinen Passionen. Und Mary Beth begleitete mich, als Junge verkleidet, überallhin. Während ich meine Söhne halbwegs schützte, sie in den Osten zur Schule schickte und sie ganz allgemein auf die Welt vorbereitete, nährte ich Mary Beth mit sehr viel kräftigeren Zutaten.
    Mary Beth war das intelligenteste menschliche Wesen, das ich je gekannt habe. Im Geschäftsleben, in der Politik und in allen anderen Bereichen gab es nichts, was sie nicht begriff. Sie war kühn, unnachgiebig, logisch, aber vor allem hatte sie eine

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