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Tanz der Hexen

Tanz der Hexen

Titel: Tanz der Hexen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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Fährte des besten Geschichtsprofessors in jenen Gegenden. Bald hatte ich den Mann auf getrieben; ich traktierte ihn mit Geld und Alkohol, und bald saß ich mit ihm in seinem Arbeitszimmer zusammen.
    Er hatte ein bezauberndes Haus in der Altstadt, die viele der Reichen längst verlassen hatten, die er aber immer noch bevorzugte. Er kannte die ganze Geschichte des Gebäudes. Die Räume waren vollgestopft mit Büchern, selbst die schmalen Korridore und der Treppenabsatz.
    Er war ein beflissenes, unstetes kleines Geschöpf – mit glänzendem Glatzkopf, silbernem Brillengestell und einem ziemlich spektakulären, ausladenden weißen Schnurrbart, wie er damals in Mode war -, er sprach Englisch mit starkem schottischem Akzent und hegte eine leidenschaftliche Liebe zum Volkstum seiner Heimat.
    Ich war so aufgeregt, daß ich nicht stillsitzen konnte, als er zugab, daß er in der Tat, wie seine Studenten behauptet hatten, ein Fachmann für das alte Volkstum der Highlands sei.
    »Donnelaith«, sagte ich. »Kann sein, daß ich es falsch buchstabiere. Hier. Aber das ist das Wort.«
    »Nein, Sie haben’s schon richtig geschrieben«, sagte er. »Aber wo, um alles in der Welt, haben Sie davon gehört? Das Glen ist eine Spukstätte – natürlich sehr schön und den Marsch wert, aber nur, wenn Sie einen Grund dazu haben. Es gibt schreckliche Legenden in dieser Gegend, ebenso schrecklich wie die Legenden von Loch Ness und Glamis Castle.«
    »Ich habe einen Grund. Erzählen Sie mir davon. Alles, was Sie wissen.«
    »Nun, das alles reicht bis in die Römerzeit zurück«, sagte der Professor. »Heidnische Kulte in jenen Gegenden – aber der Name Donnelaith bezieht sich auf eine antike Clan-Festung. Der Clan von Donnelaith bestand aus Iren und Schotten, Abkömmlingen der Missionare, die zur Zeit des Hl. Brendan aus Irland dort hinaufgezogen waren, um das Wort Gottes zu verbreiten. Und natürlich waren die Pikten dort oben, schon vor den Römern. Man munkelte, sie hätten ihre Festung in Donnelaith gebaut, weil es ein von heidnischen Geistern gesegneter Ort gewesen sei. Wir meinen jetzt die Pikten, wenn wir von Heiden reden. Dieser Teil Schottlands dort oben gehörte ihnen, und der Donnelaith-Clan stammt wahrscheinlich auch von ihnen ab. Sie wissen, wie es ging mit Heiden und Christen.«
    »Die Christen bauten auf heidnischen Tempeln, um den heidnischen Aberglauben zu schwächen und sich einzuverleiben.«
    »Ganz recht«, sagte er. »Und selbst in den römischen Dokumenten ist von schrecklichen Dingen im Zusammenhang mit dem Glen die Rede, von Dingen, die dort lauerten. Sie erwähnen ein gespenstisches Volk von kinderähnlichen Wesen, die die Welt überrennen könnten, wenn man sie je aus dem Tal hinausließe. Eine besonders bösartige Spezies des ›kleinen Volkes‹. Natürlich wissen Sie, was das ›kleine Volk‹ ist. Lachen Sie nicht darüber; ich warne Sie.« Aber er lächelte, als er dies sagte. »Das Originalmaterial werden Sie freilich nirgends mehr finden. Jedenfalls – schon vor der Zeit des Ehrwürdigen Beda waren die Stämme dort oben zum Clan von Donnelaith geworden, und Beda erwähnt ein Kultzentrum dort oben, eine christliche Kirche.«
    »Wie hieß sie?« fragte ich.
    »Das weiß ich nicht«, antwortete er. »Der ehrwürdige Beda sagt es nirgends – zumindest nicht, soweit ich mich erinnern kann -, aber es hatte etwas mit einem großen Heiligen zu tun, der, wie Sie sich denken können, ein bekehrter Heide war. Sie wissen schon, einer jener legendären Könige mit großer Macht, der plötzlich auf die Knie fiel und sich taufen ließ, worauf er ein Dutzend Wunder wirkte. Genau das, was die Kelten und die Pikten jener Zeit von einem Gott erwarteten, wenn sie zu ihm überlaufen sollten.
    Die Römer zähmten das Highland nie wirklich, wissen Sie. Und die irischen Missionare eigentlich auch nicht. Die Römer untersagten ihren Soldaten sogar, das Glen oder die benachbarten Inseln überhaupt zu betreten. Hatte etwas mit der Freizügigkeit der Frauen dort zu tun. Die Highlander waren später Christen, jawohl, wild entschlossene Christen sogar, bereit, bis auf den Tod zu kämpfen, aber sie waren es auf ihre eigene seltsame Art. Und das war ihr Untergang.«
    »Erklären Sie mir das genauer.« Ich schenkte ihm noch ein Glas Portwein ein und spähte über die pergamentene Landkarte hin, die er vor uns ausgebreitet hatte. Es sei ein Faksimile, erläuterte er, das er selbst angefertigt habe, genau das der unter Glas ausgestellten

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