Tanz der Hexen
Genie in diesen Dingen. Und sie lernte, sich des Geistes sehr geschickt zu bedienen, als Spitzel, als Informant, als Beobachter, als idiot-savant-Berater. Es war durchaus verblüffend, sie mit dem Wesen bei der Arbeit zu sehen.
Unterdessen hatten wir das Haus in der First Street zu unserem gemacht. Mein Bruder Rémy war ein stiller, zurückgezogener Mensch, und seine Kinder waren reizend und natürlich. Meine Söhne waren im Internat. Meine arme Tochter Jeannette, einfältig wie vor ihr Katherine, starb jung. Das ist eine andere Geschichte, all das. Meine süße Jeannette, meine geliebte Frau Suzette. Ich kann sie nicht erzählen. Nach dem Tod dieser beiden, der viel später kam, und nach dem Tod meiner Mutter Marguerite waren Mary Beth und ich vollends isoliert von der Welt in unserem gemeinsamen Wissen, in unserer Leidenschaft und unserem unablässigen Streben nach Lust. Aber diese Isolation hatte schon viel früher begonnen.
Auch waren wir ganz verrückt nach der modernen Welt. Wir reisten häufig nach New York, nur um in der blühenden Kapitale zu sein. Wir liebten die Eisenbahn; wir blieben immer auf dem laufenden, was neue Erfindungen anging, ja, wir investierten in den Fortschritt per se. Veränderung war unsere Leidenschaft, und für viele in unserer Familie und unserem Haus war das ganz und gar nicht so. Sie klammerten sich lieber an die verschlafene, glanzvolle Vergangenheit der alten Welt und zogen sich hinter verschlossene Blendläden zurück. Aber nicht wir.
Wir hatten – wie man in Ihrer Zeit wohl sagt – in allem unsere Finger drin.
Und lassen Sie mich noch anmerken, daß Mary Beth bis zum Jahr 1887, als wir nach Europa reisten, sozusagen ihren Status einer jungfräulichen Kriegerin bewahrte und niemals irgendeinem Mann erlaubte, sie irgendwie wirklich anzurühren. Das heißt, sie amüsierte sich auf tausenderlei Art, aber sie riskierte niemals, Mutter einer Hexe zu werden, solange sie sich den Vater dazu nicht aussuchen konnte. Deshalb zog sie es auch vor, sich als Junge zu verkleiden, wenn wir die Stadt unsicher machten. Und als schöner, dunkeläugiger Knabe, der sie war, ließ sie niemanden allzu nah an sich heran.
Endlich kam die Zeit, da wir uns zu einer langen Europareise losreißen konnten, einer »Grand Tour«, ein wunderbares und längst überfälliges Bildungsunternehmen. Das heißt, überfällig für mich, und vielleicht sogar für sie. Wenn ich etwas bereue, dann die Tatsache, daß ich im Leben nicht mehr gereist bin und daß ich die anderen in meiner Familie nicht zum Reisen ermuntert habe. Aber das ist jetzt kaum noch von Bedeutung.
Dem Geist widerstrebte es sehr, uns gehen zu lassen; immer wieder warnte er uns vor den Gefahren der Wanderschaft, und er sagte, wir besäßen das Paradies dort, wo wir selbst wären. Aber wir ließen uns davon nicht abschrecken; Mary Beth brannte darauf, die Welt zu sehen, und der Geist wollte sie glücklich machen. Keine Stunde nach unserer Abfahrt war klar, daß er mit uns reiste.
Während der ganzen Reise konnte man ihn mit einem stummen Wunsch herbeirufen, und wenn ich Mary Beth in einiger Entfernung sah, sah ich ihn häufig bei ihr.
In Rom fuhr er für viele Stunden in mich, aber die Anstrengung erschöpfte ihn, ja, sie schien ihm auf die Nerven zu gehen. Er bettelte darum, nach Hause fahren zu dürfen; wir sollten das Meer überqueren und in das Haus zurückkehren, das er sosehr liebte. Er verabscheute diesen Ort, erklärte er; ja, er könne ihn überhaupt nicht ertragen. Ich sagte ihm, wir hätten diese Reise machen müssen; es sei albern zu glauben, die Mayfairs würden niemals weit reisen, und er solle Ruhe geben, denn es sei einmal nicht zu ändern.
Als wir von Rom aus nordwärts nach Florenz fuhren, wurde er verzweifelt und aufgewühlt und verließ uns tatsächlich. Mary Beth bekam Angst. Sie konnte ihn nicht herbeirufen, was immer sie auch unternahm.
»Dann sind wir eben allein in der Welt der Sterblichen«, sagte ich achselzuckend. »Was kann uns schon passieren?«
Sie war mißtrauisch und traurig und wanderte allein durch die Straßen von Siena und Assisi, ohne viel mit mir zu sprechen. Sie vermißte den Dämon. Sie sagte, wir hätten ihm Schmerzen bereitet.
Mir war es egal.
Aber, oh, ich sollte es bereuen! Als wir Venedig erreichten und in einem prachtvollen Palazzo am Canale Grande Logis bezogen, kam das Ungeheuer zu mir. Es war eine seiner bösartigsten, hinterhältigsten und kraftvollsten Gesten.
Ich hatte meinen geliebten
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