Tanz der Hexen
Sekretär und jungen Liebhaber, den Mulatten Victor Gregoire, in New Orleans zurückgelassen; er führte in meiner Abwesenheit mein Büro, wie niemand sonst es hätte tun können.
Bei meiner Ankunft in Venedig rechnete ich damit, daß mich die üblichen Nachrichten von Victor erwarteten – ein paar Briefe, Verträge, die notarisiert und unterschrieben werden mußten und dergleichen mehr. Aber hauptsächlich erwartete ich seine schriftliche Zusicherung, daß in New Orleans alles in Ordnung sei.
Aber was mich begrüßte, war dies: Ich saß an meinem Schreibtisch über dem Kanal in einem großen, weiten, trist bemalten Raum im italienischen Stil, mit Samtvorhängen ausgekleidet, sehr feucht und mit kaltem Marmorboden, und herein kam Victor. Oder so erschien es mir. Denn ich wußte im nächsten Augenblick daß es nicht mein Victor war, sondern jemand, der sich genauso aussehen ließ. Er blieb vor mir stehen und lächelte beinahe kokett – der junge Mann, den ich kannte, mit blaßgoldener Haut, blauen Augen, schwarzem Haar und einem hochgewachsenen, kraftvollen Körper in perfekter Kleidung. Und dann verschwand er.
Natürlich war es das Ungeheuer gewesen, das sich für Victor ausgegeben hatte; es hatte mich mit dieser Vision quälen wollen. Aber warum? Ich wußte es. Und ich legte den Kopf auf den Schreibtisch und weinte. Keine Stunde verging, und Mary Beth erschien mit der Nachricht aus Amerika. Victor war vor zwei Wochen bei einem Unfall ums Leben gekommen. Er war an der Ecke Prytania und Philip auf die Straße getreten und überfahren worden, gleich vor der Apotheke. Zwei Tage später war er gestorben, und er hatte nach mir gerufen.
»Wir fahren lieber nach Hause«, sagte sie.
»Ich will nicht!« erklärte ich. »Das hat Lasher getan.«
»Das würde er nicht tun.«
»O doch, er würde und er hat!« Ich war rasend vor Wut. Ich schloß mich in meinem Schlafzimmer im zweiten Stock des Palazzo ein. Von dort konnte ich nur in die schmale Gasse hinuntersehen. Wütend ging ich auf und ab.
»Komm zu mir«, sagte ich. »Komm!«
Und schließlich kam er, wiederum ausstaffiert als ein sprödes, glänzendes Abziehbild meines Victor.
»Gelächter, Julien. Ich möchte jetzt nach Hause.«
Ich wandte der Erscheinung den Rücken zu. Er ließ die Vorhänge wehen, die Bodendielen knarren. Es war, als lasse er die tiefen Steinmauern rumoren.
Schließlich öffnete ich die Augen.
»Ich will nicht hier sein!« erklärte er. »Ich will nach Hause!«
»Ach, und durch die Straßen von Venedig zu spazieren, bedeutet dir nichts?«
»Ich verabscheue diesen Ort. Ich will keine Kirchenlieder hören. Ich hasse dich. Ich hasse Italien.«
»Ah, aber was ist mit Donnelaith? Was ist damit? Sollen wir nach Norden fahren, nach Schottland?« Denn das war für mich eines der wichtigsten Ziele auf dieser Reise gewesen, die Stadt, in der Suzanne das Ding heraufbeschworen hatte, mit eigenen Augen zu sehen.
Er bekam einen Tobsuchtsanfall. Papiere flogen von meinem Tisch, die Bettdecken wurden hochgerissen und zu einer riesigen Gestalt verzwirbelt, die mich flach auf den Rücken warf, bevor ich begreifen konnte, was geschah. Noch nie hatte ich das Ding so stark gesehen. Mein Leben lang hatte seine Kraft zugenommen. Und jetzt hatte es mich geschlagen.
Ich sprang vom Boden auf, packte das Bettuch, schleuderte es weg und verfluchte das Ding. »Hebe dich von mir, Teufel! Lab’ dich nicht länger an meiner Seele, Teufel! Meine Familie wird dich verstoßen, Teufel!« Und ich versuchte mit all meiner Macht, es zu sehen, den Geist, der es war – und es gelang mir, ich sah eine große, dunkle Macht, die sich im Raum sammelte. Und mit all meiner Willenskraft und lautem Gebrüll trieb ich es zum Fenster hinaus, hinaus über die Gasse und über die Dächer, wo es sich zu entfalten schien wie ein monströses, endloses Tuch.
Mary Beth stürzte herein. Und gleich kehrte es zum Fenster zurück. Wiederum schleuderte ich ihm meine hitzigsten, giftigsten Flüche entgegen.
»Ich werde zurückkehren nach Eden!« brüllte es. »Ich werde alle erschlagen, die den Namen Mayfair tragen!«
»Ah«, sagt Mary Beth und breitete die Arme aus. »Und dann wirst du niemals Fleisch werden, und wir werden nie zurückkehren, und alle unsere Träume werden in Schutt und Asche liegen, und diejenigen, die dich lieben und dich am besten kennen, werden fort sein. Dann bist du wieder allein!«
Ich trat beiseite. Ich sah, was kam. Sie streckte wieder die Hände nach ihm aus und
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