Tanz der Hexen
die arme Deborah errettet hatte, die Tochter Suzannes. Eine Zeitlang kamen mir allerlei Bilder aus den Erinnerungen des Dämons in den Sinn, und fast wäre ich ohnmächtig geworden. Aber die Zeit war zu kostbar, als daß ich mich jetzt irgendwelchen Theorien hätte hingeben dürfen. Ich hatte diesen freundlichen kleinen Doktor der Geschichte vor mir, und ich mußte aus ihm herausbringen, soviel ich konnte.
»Hexerei«, sagte ich. »Das Hexenunwesen dort oben. Die Verbrennungen im siebzehnten Jahrhundert. Was wissen Sie darüber?«
»Oh, eine grausige Geschichte. Suzanne, das Milchmädchen von Donnelaith. Zufällig habe ich ein unbezahlbares Stück Material darüber: eines der Originalpamphlete, die damals von den Hexenrichtern in Umlauf gebracht wurden.«
Er ging zu seinem Bücherschrank und nahm einen kleinen, zerbröselnden Quartband heraus. Ich sah einen plumpen Stich, der eine Frau darstellte, umgeben von Flammen, die eher wie große Blätter oder wie feurige Zungen aussahen. Und in dicken englischen Lettern stand dort:
DIE GESCHICHTE
VON DER HEXE VON DONNELAITH
»Das kaufe ich Ihnen ab«, sagte ich.
»Im Leben nicht«, sagte er. »Aber ich werde es für Sie kopieren lassen.«
»Genügt mir schon.« Ich zog meine Brieftasche hervor und legte ein Bündel amerikanischer Dollarnoten auf den Tisch.
»Das reicht, das reicht! Vergessen Sie sich nicht! Was für ein leidenschaftlicher Bursche Sie sind. Muß das irische Blut sein. Die Franzosen sind von Natur aus soviel zurückhaltender. Meine Enkelin kopiert alles für mich, und sie wird nicht lange brauchen. Sie macht Ihnen ein wunderschönes Transkript, in Faksimileform auf Pergament.«
»Gut, aber jetzt sagen Sie mir, was drinsteht.«
»Oh, immer der gleiche alte Unfug. Diese Pamphlete zirkulierten in ganz Europa. Das hier wurde 1670 in Edinburgh gedruckt. Es erzählt, wie Suzanne, die weise Frau, in die Gewalt des Satans geriet und ihm ihre Seele überschrieb, und wie man ihr den Prozeß machte und sie verbrannte. Aber ihre Tochter, die Frohgezeugte, wurde verschont, weil sie an einem Ersten Mai gezeugt und Gott heilig war, so daß niemand wagte, sie anzurühren. Diese Tochter wurde schließlich der Obhut eines calvinistischen Geistlichen anvertraut, der sie, glaube ich, mit in die Schweiz nahm, um ihre Seele zu retten. Sein Name war Petyr van Abel.«
»Petyr van Abel war der Name, da sind Sie sicher? Das steht da?« Ich konnte mich kaum noch halten. Dies war das einzige schriftliche Dokument, das ich je gesehen hatte, das mir Marie Claudettes Geschichte bestätigte. Ich wagte nicht, zu sagen, daß auch dies mein Vorfahr gewesen sei.
»Jawohl, in der Tat, Petyr van Abel; hier steht’s«, sagte er. »Alles aufgeschrieben von einem Geistlichen hier in Edinburgh, und auch hier gedruckt und mit ziemlichem Gewinn verkauft. Diese Dinger waren beliebt, wissen Sie, genau wie heute die Magazine. Stellen Sie sich vor, wie die Leute am Feuer saßen und sich das greuliche Bild von dem armen Mädchen auf dem Scheiterhaufen anschauten. Wissen Sie, sie haben hier bis ins achtzehnte Jahrhundert hinein Hexen verbrannt, gleich hier in Edinburgh, am Hexenbrunnen, an der Esplanade.«
Ich gab ein Murmeln des tiefempfundenen Mitgefühls von mir. Aber ich war so benommen von dieser kleinen Bestätigung, daß ich nicht mehr klar denken konnte. Hastig stellte ich meine Fragen.
»Aber zur Zeit der Hexe war die Kathedrale längst abgebrannt«, sagte ich, um Orientierung bemüht.
»Ja, es war eigentlich alles verschwunden. Nur noch Schafhirten da oben. Die farbenfrohen Highlandbräuche wurden abgeschafft, und die Leute kehrten schließlich zu einigen ihrer heidnischen Zeremonien zurück, nur um ein bißchen Unterhaltung in ihr Leben zu bringen, wissen Sie, ein wenig Farbe.«
»Glauben Sie, das war auch in Donnelaith der Fall?«
»Nein. Das war ein typischer Prozeß. Der Earl von Donnelaith war ein armer Mann und wohnte in einer trostlosen Burg. Wir hören in diesem Jahrhundert nichts von ihm, außer daß er später bei dem Brand umkam, der auch seinen Sohn und seinen Enkel tötete. Die Hexe war eine arme weise Frau aus dem Dorf, die zur Rechenschaft gezogen wurde, weil sie irgendeine andere Person bescheidenen Standes verhext haben sollte. Von Hexensabbaten hören wir nichts. Aber Gott weiß, daß sie an anderen Orten dort oben stattfanden. Und von dieser Frau war bekannt, daß sie zu dem heidnischen Steinkreis zu gehen pflegte, und das wurde nun gegen sie
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