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Tanz der Hexen

Tanz der Hexen

Titel: Tanz der Hexen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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Lilys Stimme zittrig und alt.
    »Ja, das weiß ich«, sagte Paige. »Mein Onkel hat mir alles erzählt. Ich verstehe. In all den Jahren habe ich so viel von euch gehört, von euch allen, und jetzt bin ich hier. Ich bin in diesem Haus. Aber ich weiß nicht, ob ich euch eine Hilfe sein kann. Es ist eine Kraft, die andere spüren. Ich selbst spüre sie nicht. Eigentlich weiß ich nicht, wie man sie benutzt. Aber ich bin bereit, es zu versuchen.«
    »Du bist eine der Stärksten«, sagte Mona. »Nur darauf kommt es an. Wir hier sind die Stärksten. Keine von uns weiß, wie man diese Gaben anwendet.«
    »Dann laßt uns doch anfangen. Mal sehen, was wir können«, sagte Paige.
    »Ich will hier keinen Hokuspokus haben«, erklärte Randall. »Wenn eine von euch anfängt, verrückte Sprüche zu murmeln…«
    »Ganz bestimmt nicht«, unterbrach ihn Fielding mit tiefliegenden Augen, die Hände auf seinem Gehstock. »Ich muß mit dem Fahrstuhl hinauffahren. Mona, du gehst mit mir. Randall, du solltest auch den Aufzug nehmen.«
    »Wenn du nicht mitkommen willst«, bemerkte Lauren mit einer Stimme, so kalt wie Stahl, »dann brauchst du es nicht. Ihr alle beide nicht. Wir machen es allein.«
    »Ich komme mit«, erwiderte Randall mürrisch. »Aber ich möchte zu Protokoll geben, daß diese Familie jetzt dem Rat eines dreizehnjährigen Mädchens folgt.«
    »Das stimmt nicht«, sagte Lily. »Wir alle wollen es. Randall, bitte hilf uns. Bitte mach diesmal keine Schwierigkeiten.«
    Alle zogen sie hinaus, durch den schattendunklen Flur. Mona hatte diesen Aufzug nie leiden können. Er war zu klein, zu staubig, zu alt und zu monumental, und er fuhr zu schnell. Sie folgte den beiden alten Männern hinein und half Fielding, auf dem Stuhl in der Ecke Platz zu nehmen, einem kleinen, antiken Holzstuhl mit einer geflochtenen Sitzfläche. Sie zog die Tür zu, schob ratternd das Gitter vor und drückte auf den Knopf.
    Als sie ins große Schlafzimmer kamen, waren die ändern bereits versammelt. Michael war bei ihnen; er stand mit verschränkten Armen in der hinteren Ecke und schaute auf Rowans unverändertes Gesicht.
    Geweihte Kerzen brannten auf dem Nachttisch an der Türseite. Die Heilige Jungfrau stand auch da. Wahrscheinlich hatte Tante Bea das getan, dachte Mona – diese Kerzen, und die Jungfrau mit dem gesenkten Kopf, dem weißen Schleier und den winzigen, ausgebreiteten Gipshänden. Gifford hätte sicher auch dafür gesorgt, wenn sie noch dagewesen wäre.
    Niemand sagte ein Wort. Schließlich sagte Mona: »Ich glaube, die Schwestern sollten jetzt hinausgehen.«
    »Na, was wollen Sie denn hier anstellen?« fragte schroff die jüngere der Krankenschwestern, eine Frau von gelblicher Gesichtsfarbe und blonden, in der Mitte unter der steif gestärkten Haube gescheitelten Haaren, die in ihrer sterilen Sauberkeit etwas Nonnenhaftes hatte. Sie warf der älteren Schwester einen Blick zu, einer dunklen Schwarzen, die kein Wort sagte.
    »Wir werden ihr die Hände auflegen und versuchen, sie zu heilen«, erklärte Paige Mayfair. »Wahrscheinlich wird es nichts nützen, aber wir alle haben diese Gabe. Wir werden es versuchen.«
    »Ich weiß nicht, ob Sie das tun sollten«, sagte die jüngere Krankenschwester mißtrauisch.
    Aber da schüttelte die ältere den Kopf und winkte ihr, die Leute gewähren zu lassen.
    »Raus mit Ihnen, alle beide«, sagte Michael in ruhigem Befehlston.
    Die Schwestern gingen.
    Mona schloß die Tür.
    Paige legte ihre kleine Lederhandtasche auf den Boden und kam zum Bett. »Macht das Licht aus, bis auf die Kerzen.«
    »Das ist doch Unfug«, sagte Fielding.
    »Es ist mir lieber so«, sagte Paige. »Ich möchte keine Ablenkungen.« Sie schaute auf Rowan hinunter und betrachtete sie langsam, von der glatten Stirn bis hinunter zu den Füßen, die unter der Bettdecke senkrecht hoch standen. Ihr Gesicht war traurig und nachdenklich.
    »Es nützt nichts«, sagte Fielding. Er hatte offensichtlich Mühe, stehen zu bleiben.
    Mona zog ihn näher ans Bett. »Hier, du kannst dich an die Matratze lehnen.« Sie bemühte sich, nicht ungeduldig zu werden. »Ich halte dich beim Arm. Leg ihr die Hand auf. Eine Hand genügt.«
    »Nein, beide Hände, bitte«, sagte Paige.
    »Absolut idiotisch«, sagte Fielding.
    Die ändern drängten sich um das Bett. Michael trat zurück, aber Lily winkte ihm, dabeizubleiben. Alle legten Rowan die Hände auf. Fielding neigte sich gefährlich schräg; sein mühseliges Atmen wurde deutlich hörbar, und ein kleiner

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