Tanz der Hexen
leinenen Taschentuch. Wie oft hatte Yuri diese Prozedur beobachtet? Jetzt durchsuchte Aaron seine Taschen nach seinem Schlüssel, seinem Paß und einem weiteren Papier, das er auseinander faltete, während er Beatrice anschaute und lächelte.
»Kommen Sie mit und seien Sie unser Trauzeuge«, sagte Beatrice. »Magdalene und Lily erwarten uns schon.«
»Ach, Sie wollen wirklich heiraten?«
»Ja, Darling«, sagte Beatrice. »Gehen wir. Das Abendessen ist ruiniert, wenn wir es zu lange warten lassen. Es ist ein Mayfair-Rezept, Yuri. Sie mögen doch hoffentlich würziges Essen, ja? Es ist ein Krebs é touffée.«
Sie streifte eine dunkle Jacke über, die ihr geradegeschnittenes Seidenkleid plötzlich sehr formell und gesetzt aussehen ließ.
»Danke, Yuri«, sagte Aaron leise.
»Oh, es ist ein Privileg«, sagte Yuri. Dafür würde er Monas Computer warten lassen, so schwer es ihm auch fiel.
»Wißt ihr«, sagte Beatrice und ging voraus, »es ist eine Schande, auf die große Hochzeitsfeier zu verzichten. Aber wenn das alles vorüber ist, geben wir vielleicht ein Bankett, Aaron; was meinst du? Wenn alle glücklich sind und das hier vorbei ist, dann feiern wir eine herrliche Party! Tatsache ist nur, ich will jetzt nicht mehr warten.« Sie schüttelte den Kopf und dann wiederholte sie mit einer Spur von Panik: »Ich warte nicht mehr.«
31
Er suchte sich die Augenblicke aus, in denen er ins Bad ging. Vergewisserte sich, daß die Krankenschwester wirklich dastand. Dann ging er die vier Schritte ins Bad, schloß die Tür, tat, was er tun mußte, und kam zurück.
Seine schlimmste Befürchtung war die, daß sie sterben könnte, während er pinkelte. Während er sich die Hände wusch, würde sie sterben. Während er telefonierte, würde sie sterben.
Seine Hände waren noch naß; er hatte sich nicht die Zeit zum Abtrocknen genommen. Er setzte sich wieder in den Ohrensessel und schaute durch das Zimmer auf die alte Tapete über dem Kamin, ein orientalisches Muster mit einer Weide und einem Bach. Sie hatten sie so ehrfurchtsvoll hängenlassen, als sie hier renoviert hatten – nur diese eine alte Bahn, die Bahn über dem Kamin. Der Rest des Zimmers war frisch und neu und umgab das hohe antike Bett mit wohligem Komfort.
Sie lag da wie zuvor, und das Licht blinkte in ihren reglosen Augen.
Ich bete, daß du in einem milden, schönen Tal bist. Ich bete, daß unsere Gedanken dich nicht berühren können. Nur unsere tröstenden Hände.
Sie hatten ihm diesen großen rosaroten Ohrensessel in die Ecke gestellt, zwischen Bett und Badezimmertür. Da rechts stand die Kommode mit seinen Zigaretten und dem Aschenbecher und dem Revolver, den Mona ihm gegeben hatte, einem großen, schweren .357er Magnum, der Gifford gehört hatte. Ryan hatte ihn zwei Tage zuvor aus Destin mitgebracht.
»Den behalte. Wenn der Schweinehund ins Zimmer kommt, kannst du ihn gleich abknallen«, hatte Mona gesagt.
»Ja, ich behalte ihn«, hatte er gesagt. Genau so eine Waffe hatte er sich gewünscht, »ein einfaches Werkzeug«, um Juliens Formulierung zu benutzen, die Formulierung aus seinen zahlreichen Offenbarungen. Ein einfaches Werkzeug, mit dem er der Kreatur, die Rowan das angetan hatte, das Gesicht wegpusten würde.
Zuweilen kam ihm die Zeit, die er mit Julien auf dem Dachboden verbracht hatte, realer vor als alles andere. Er hatte nicht versucht, irgend jemandem außer Mona davon zu erzählen. Er wollte Aaron davon berichten, aber das Ärgerliche war, daß er nicht einen Augenblick mit Aaron allein gewesen war. Aaron war so erbost über die verdächtigen Einmischungen der Talamasca, daß er jede Stunde woanders verbrachte und alles Mögliche überprüfte und verifizierte – weiß der Himmel. Abgesehen natürlich von der kurzen Trauung in der Sakristei der Kathedrale, die Michael hatte versäumen müssen.
»Die Mayfairs aus der City heiraten in der Kathedrale«, hatte Mona erklärt.
Mona schlief jetzt im vorderen Schlafzimmer, in dem Bett, das ihm und Rowan gehört hatte. Es mußte anstrengend sein, sich von einer ziemlich armen Verwandten zur Königin im Schloß zu mausern, dachte er.
Aber die Familie verlor keine Zeit bei der Einsetzung Monas in die Position der Erbin. Die Umstände geboten es einfach. Nie hatte die Familie solchen Aufruhr und solche Gefahr erlebt. In den letzten sechs Monaten hatte es mehr »Veränderungen« gegeben als je zuvor in der Familiengeschichte, einschließlich der Revolution auf Saint-Domingue im achtzehnten
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