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Tanz der Hexen

Tanz der Hexen

Titel: Tanz der Hexen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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Autopsietischen in Dallas oder Oklahoma City oder New York. Was für eine Vorstellung: Diese große, blauäugige Kreatur, die mit ihrer Umarmung den Tod brachte. Ausnahmslos hatte der tödliche Same den Eisprung auf der Stelle herbeigeführt, das Ei befruchtet und den Embryo unkontrolliert wuchern lassen.
    All das hatte die Analyse der Ärzte inzwischen zweifelsfrei ergeben. Auch wußte man, daß Michael selbst diese Chromosomen besaß, auch wenn sie inaktiv waren. Mona hatte sie ebenfalls; auch bei ihr waren sie inaktiv. Und Paige aus New York hatte sie, und die uralte Evelyn, und Gerald, und Ryan…
    Die Familie ging ganz gut damit um, soweit es ihn betraf, wenngleich heftig darüber diskutiert wurde, ob Clancy und Pierce heiraten sollten, denn auch sie hatten diesen Chromosomenüberschuss.
    Aber es gab gute Argumente dafür, die genetische Analyse zu ignorieren, meinten die Ärzte; Clancy und Pierce könnten ruhig der »Natur« vertrauen, was immer das in Wirklichkeit sein mochte. Ryan und Gifford hatten die zusätzlichen Gene, aber sie hatten keine Monster gezeugt. Michael hatte Frauen gehabt. Ja, und wenn seine Freundin vor Jahren nicht gegen seinen innigsten Wunsch eine Abtreibung vorgenommen hätte, dann hätte er vielleicht ein normales Kind gehabt.
    Die Obduktionsanalyse von Deirdres genetischem Bauplan hatte ergeben, daß sie die Extra-Chromosomen nicht besessen hatte, aber sie hatte ein Kind zur Welt gebracht, das sie hatte. Spielten zwei, die den Überschuß hatten, mit der Katastrophe?
    »Das Ding ist Weihnachten durchgedrungen. Rowan und ich haben es nicht gezeugt. Wir haben einen Fötus geschaffen, und das Ding hat ihn Gott aus der Hand genommen. Es ist nicht unkontrolliert in Rowans Leib gewachsen. Es hat nicht zur Fehlgeburt geführt. Es ist erst passiert, als das Ding hineingefahren war.«
    Gottes Hand. Wie seltsam, daß er das Wort Gott benutzte. Aber je länger er in diesem Hause war, je länger er in New Orleans wohnte – und es gab keinen Grund zu der Annahme, daß er nicht immer hier wohnen würde -, desto normaler erschien ihm das Konzept eines Gottes.
    Wie dem auch sein mochte, das genetische Material war eben erst entdeckt worden. Ein kleiner Kern von Ärzten unter Leitung der Familie arbeitete rund um die Uhr, um das Geheimnis zu ergründen; sie arbeiteten auch jetzt…
    Und diesen Ärzten würde nichts passieren. Nur Ryan und Lauren wußten, wo sie sich befanden, wie sie hießen, kannten das Labor, in dem sie arbeiteten. Und Talamasca würde es diesmal nicht erfahren, die Talamasca, der Aaron nicht länger vertraute und die er schlimmster, unaussprechlicher Freveltaten verdächtigte.
    »Aaron, bleiben Sie gelassen«, hatte Michael am Nachmittag gesagt. »Lasher könnte diese Ärzte auch umgebracht haben. Mühelos. Er könnte jeden umgebracht haben, der irgendwelches Beweismaterial hatte.«
    »Er ist ein einzelnes Wesen, Michael. Er kann nicht an zwei Orten zugleich sein. Bitte glauben Sie mir; ein Mann meines Schlages tut keine unüberlegten Äußerungen, vor allem nicht über eine Organisation, der er sein Leben lang ungeteilte Loyalität erwiesen hat.«
    Michael hatte ihn nicht weiter bedrängt. Aber der Gedanke hatte ihm nicht gefallen, überhaupt nicht. Andererseits, es gab da etwas, das er Aaron hätte erzählen sollen! Wären sie nur einmal unter sich gewesen, aber dazu kam es anscheinend nie. Als Aaron am Morgen vorbeigekommen war, hatte er Yuri, den Zigeuner, bei sich gehabt, den unermüdlichen Ryan und seinen Klon, Sohn Pierce.
    Michael sah auf die Uhr. Halb elf. Aarons Hochzeitsnacht. Er lehnte sich zurück und überlegte, wann er schicklicherweise anrufen könnte. Natürlich würde es für Aaron und Beatrice keinen Honeymoon geben. Wie auch? Aber sie waren jetzt verheiratet, lebten rechtmäßig unter einem Dach, und die Familie war glücklich. Von den Verwandten, die den ganzen Tag über zu Besuch gekommen waren, hatte Michael genug gehört, um sich dessen sicher zu sein.
    Nun, er mußte Aaron eine Nachricht zukommen lassen. Er durfte es nicht vergessen. Er mußte sich an alles erinnern und bereit sein, und seine Müdigkeit durfte ihn nicht überwältigen oder verwirren. Diesmal nicht.
    Er drehte sich um und zog sehr leise die oberste Schublade der Kommode auf. Der große Revolver war eine Schönheit. Zu gern wäre er damit auf einen Schießstand gegangen und hätte losgefeuert.
    Ah, der Revolver, ja. Und hier war der Notizblock, den er vor ein paar Wochen hineingelegt hatte.

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