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Tanz der Hexen

Tanz der Hexen

Titel: Tanz der Hexen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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Menschen zusammen und begrüßte sie mit dem Wort Gottes. Die Zeit schien ohne Bedeutung zu sein, ja, ich hatte keineswegs das Gefühl, irgendeiner Bestimmung entgegenzueilen.
    Als ich geweiht wurde, hatte ich nicht mehr die geringste Angst vor Krankheit. Ich sang zu denen, die das Bedürfnis nach körperlichem Trost längst hinter sich gelassen hatten. Ich saß in so mancher Kammer, die andere nicht mehr zu betreten wagten.
    Aber vollkommen waren die Dinge nicht. Sie waren nicht in Ordnung. Von Zeit zu Zeit erinnerte ich mich an meine Geburt, und die Wirkung war erschreckend. Ich erwachte, setzte mich auf, dachte: Ah, aber das ist nicht möglich; dann ließ ich mich im Dunkeln zurücksinken und begriff, daß es selbstverständlich doch möglich war, denn ich hatte weder Vater noch Mutter noch irgendwelche Geschwister! Ich war nicht das, wofür die anderen mich hielten. Ich erinnerte mich an die Königin und den Fluß und das Hochland wie an die Elemente eines Alptraums.
    Und manchmal erschien es mir so, als sähe ich nach solchen aufgewühlten Momenten die Männer, die mir folgten, und als bespitzelten sie mich nachdrücklicher als zuvor. Natürlich tadelte ich mich selbst, weil ich mir so etwas einbildete, aber je länger ich über all das nachdachte, desto merkwürdiger wurde mein Leben.
    Dann kam es vor, daß ich meine Natur auf eigenartige und spontane Weise verriet. Ich liebte den Geschmack von Milch. Unaufhörlich versuchte mich der Teufel mit Visionen von Frauenbrüsten. Sogar in der Fastenzeit mußte ich Milch trinken und konnte das Fasten nicht ertragen; daß ich es für Milch brach, war meine schlimmste Sünde. Manchmal packte ich ganze Händevoll Käse und aß. Jede weiche Speise war mir ein Genuß, aber das Verlangen nach Käse und Milch war besonders schlimm.
    Einmal kam ich auf ein Feld voller Kühe. Die Sonne ging gerade auf, und niemand war in der Nähe. Das dachte ich zumindest. Ich kniete nieder und trank aus dem Euter einer Kuh, spritzte mir die warme Milch geradewegs in den Mund.
    Als ich genug getrunken hatte, legte ich mich ins Gras und starrte in den Himmel. Ich kam mir viehisch und häßlich vor, weil ich so etwas getan hatte. Da kam ein alter Bauer heran. Seine Kleidung war abgetragen, aber ordentlich und gut geflickt, und sein Gesicht war dunkel von der Arbeit in der Sonne.
    Er raunte mir etwas zu, voller Angst, und rannte gleich davon. Ich sprang auf und lief ihm nach; ich mußte meine Kutte aufraffen, damit ich nicht hinfiel.
    »Was hast du gerade zu mir gesagt?« fragte ich.
    Da zischte er etwas Feindseliges, einen Fluch vielleicht, und hastete davon.
    Ich war von Scham überwältigt. Dieser Mann wußte, daß ich kein Mensch war. Und von diesem Tag an begann die Täuschung, die ich an meiner Umgebung verübte, an meinem Herzen zu nagen.
    Ich sah den Bauern in der Stadt wieder. Er sah mich auch. Ich hätte schwören können, daß ich ihn auch mit anderen sah und daß sie miteinander tuschelten, aber vielleicht bildete ich mir das auch ein. Ich kümmerte mich nicht weiter darum. Und dann trat ich eines Morgens aus meiner Zelle in den Kreuzgang hinaus und fand dort einen großen Krug frischer Milch. Meine Seele gefror zu Eis. Einen Augenblick lang wußte ich nicht, wo ich war oder wer ich war oder was hier geschah. Ich wußte nur, daß es ein Opfer war, und daß so etwas schon früher und noch früher und noch früher geschehen war. Das Glen, die kleinen Leute, der eine Riese unter ihnen, der zum Rande des Steinkreises hinunterging, und die Milchopfer. Meine Gedanken gerieten ins Schwimmen. Zum ersten Mal seit vielen, vielen Jahren sah ich den Steinkreis und den Kreis der Gestalten, so viele Kreise von Gestalten, einer größer als der andere, und so viele, daß ich sie nicht mehr zählen konnte.
    Ich hob den Krug auf und trank ihn gierig leer. Als ich aufblickte, sah ich jenseits des Klostergartens, im Schatten des Kreuzgangs ein paar Leute sich bewegen, die jetzt sofort davonhuschten.
    An diesem Abend war ich sicher, daß ein Holländer mir folgte. Und am nächsten Morgen kehrte ich zurück nach Assisi, um mit dem Hl. Franz zu sprechen, meine Gelübde zu erneuern und meine Seele zu läutern.
    In den folgenden Tagen kamen viele Leute zu mir und baten um Heilung. Ich legte ihnen die Hände auf, manchmal mit verblüffenden Ergebnissen. Es gab keinen Zweifel, daß die Bauern über mich tuschelten. Und Milchopfer für mich erschienen an den seltsamsten Orten. So konnte es sein, daß ich allein

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