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Tanz der Hexen

Tanz der Hexen

Titel: Tanz der Hexen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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war wirklich rein?
    Ich vermied derlei Diskussionen. Ich sprach laut mit dem Hl. Franziskus; ich formte mein Leben nach seinem Beispiel. Ich verlor mich ganz in guten Werken und sorgte mit gutem Ergebnis für die Kranken.
    Es war kein Wunderwirken. Nicht, daß ein Mann seine Krücken wegwarf und rief: »Ich kann wieder gehen!« Erste Gestalt nahm es in einem krankenpflegerischen Talent an; ich konnte gefährlich Kranke durch ein Fieber bringen, zurück vom Rande des Todes. Vielleicht war ich das, was man ein Naturtalent nennt.
    In diesen frühen Jahren lernte ich noch anderes: daß nämlich viele meiner Brüder im Orden das Keuschheitsgelübde nicht hielten. Tatsächlich hatten sie Geliebte, oder sie gingen in die öffentlichen Bordelle von Florenz, oder sie lagen beieinander im Schütze der Dunkelheit. Ja, auch ich selbst nahm ständig Notiz von schönen Knaben und Mädchen und spürte Verlangen nach ihnen, und zuweilen erwachte ich in der Nacht aus sinnlichen Träumen.
    Ich gedachte der Worte des Franziskaners in Donnelaith: »Du darfst niemals das Fleisch eines Weibes berühren.« Ich dachte viel darüber nach. Natürlich war mir klargeworden, daß die Paarung von Männern und Frauen dazu führte, daß sie Kinder erzeugten. Und ich folgerte daraus, daß ich diese strenge Warnung aus einem bestimmten Grund erhalten hatte: damit ich kein Ungeheuer zeugte, wie ich selbst eines war.
    Aber was für ein Ungeheuer war ich denn? Ich wußte es nicht mehr genau. Meine Geburt und mein Ursprung wurden meiner Erinnerung zur Qual; sie waren eine Schmach, die ich keiner Menschenseele anvertrauen konnte.
    Um diese Zeit – in den ersten paar Jahren, da meine Persönlichkeit sich formte -, begann ich auch zu denken, daß bestimmte Leute mich beobachteten, Leute, die von meiner Hochstapelei wußten und die mich entlarven würden als das, was ich war.
    In den Straßen von Florenz sah ich oft Holländer, leicht zu erkennen an ihrer unverwechselbaren Kleidung und ihren Hüten, und diese Männer schienen mich immer mit ihren Blicken zu fixieren. Und dann kam einmal ein Engländer nach Assisi; er blieb lange da und erschien Tag für Tag, einfach um mich predigen zu hören. Es war im wunderschönen Frühling; ich erzählte Geschichten oder exempla vom Hl. Franziskus, und ich erinnerte mich, wie der Mann mich mit kalten Augen anstarrte, während ich redete.
    Stets trat ich diesen Spitzeln entgegen. Ich starrte sie an. Manchmal kehrte ich sogar um und ging auf sie zu. Immer ergriffen sie die Flucht. Und immer kehrten sie zurück.
    Unterdessen quälte mich die Frage der Keuschheit – die Frage, ob ich es mit einer Frau tun konnte oder nicht, und ob ein Monstrum geboren werden würde oder nicht.
    Ich hatte keinen Zweifel daran, daß ich tun wollte, was recht war in den Augen des Herrn. Es schien eine ganz einfache Sache zu sein, sich eine Geliebte zu nehmen oder einen Liebhaber. Es war eine ungeheure Herausforderung, überhaupt keine Lust an den Freuden des Fleisches zu haben. Zu leben, ohne die Antwort auf das Geheimnis zu kennen.
    Ich entschied mich für den Weg des Heiligen.
    Ich ließ nicht zu, daß ein Funke in mir entfacht wurde, und infolgedessen kam es nie zu einer Feuersbrunst.
    Ich wurde bekannt für meine Reinheit und dafür, daß ich kein Auge für Frauen hatte; meine Heilkunst vervollkommnete sich mehr und mehr, obgleich ich noch immer nicht wußte, ob es denn Wunderkraft sei, und dachte, es sei vielleicht auch eine Frage der Geschicklichkeit.
    Und eine weitere Leidenschaft schlug mich in ihren Bann. Es war die einfache, damals geläufige Idee, daß Gesang die Gläubigen zu Christus führen könne, womöglich ebenso leicht wie das Predigen des Evangeliums. Ich begann eigene Lieder zu schreiben, schlichte Verse, die ich mir ausdachte, mit viel Rhythmus, und diese Lieder sang ich in zwanglosen Versammlungen. Das Singen war mir sehr viel lieber als das Predigen, ich war es müde geworden, mich selbst beim Verbreiten simpler Wahrheiten zu hören. Aber das Singen wurde mir nie zuviel.
    Bald wußten die Leute, wenn ich kam, würde es Musik geben – ein kleines Lied, manchmal kaum mehr als ein Gedicht, das ich zum Klang einer kleinen Laute aufsagte.
    Zehn Jahre nach meiner Ankunft in Italien wurde ich zum Priester geweiht. Es wäre früher geschehen, wenn ich es gewollt hätte, aber ich betrieb mein Studium zur Priesterweihe mit Absicht gründlich und langsam. Ständig war ich unterwegs; ich wanderte auf der Landstraße, traf mit den

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