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Tanz der Hexen

Tanz der Hexen

Titel: Tanz der Hexen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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die Straße hinaufging, und oben an der Ecke fand ich einen Krug Milch, der dort auf den Steinen stand.
    Und eine gewisse andere Tatsache begann mich zu peinigen. Vielleicht war ich nie getauft worden! Und als ich nun darüber brütete und anfing, zu versuchen, mir alle Einzelheiten des Nordlandes in Erinnerung zu rufen, in dem ich zur Welt gekommen und ins Exil gegangen war, da wurde mir klar: Wenn ich nicht getauft war, dann konnte ich auch nicht zum Priester geweiht worden sein, und das bedeutete, wenn ich Brot und Wein in Leib und Blut Christi verwandeln wollte, geschah nichts dergleichen.
    Überhaupt nichts von dem, was ich getan hatte, konnte Früchte tragen.
    Ich versank in Melancholie. Ich wollte mit niemandem reden.
    Und dann wurde mir klar, daß ich mir die Geburt in England eingebildet haben mußte! Nichts dergleichen konnte sich in Wirklichkeit ereignet haben! Donnelaith! Noch nie hatte ich davon gehört, daß es dort eine Kathedrale geben sollte oder Mönche unseres Ordens.
    Wenn meine Phantasien der Wahrheit entsprachen, dann lebte ich nach meiner eigenen Berechnung gerade seit zwanzig Jahren. Es sei denn, meine verlorene Kindheit war eben dies: eine für die Erinnerung verlorene Geschichte, begrabene Erfahrung, etwas, das ich nicht wieder heraufbeschwören konnte. Aber so kam es mir nicht vor, und je mehr ich brütete, desto verdächtiger sah alles rings um mich herum aus, und desto größere Qualen litt ich.
    Endlich kam ich zu dem Schluß, daß ich eine Frau kennen lernen müsse. Ich mußte wissen, ob ich auch in dieser Hinsicht ein Mann war. Natürlich brannte ich darauf. Ich hatte es schon immer tun wollen! Und jetzt wußte ich, ich hatte einen Vorwand. Finde es heraus!
    Es war, als würde ich erst in den Armen eines Weibes wissen, ob ich Tier genug war, um eine unsterbliche Seele zu haben. Ich lachte über diesen Widerspruch, aber er bestand, und er war wahr. Ich wollte ein Mensch sein, und ich mußte eine Todsünde begehen, um festzustellen, ob ich einer war.
    Ich ging nach Florenz, in eines der vielen Bordelle, die ich dort kannte; ich hatte dort Frauen auf dem Totenbett die Sterbesakramente gebracht, und einmal hatte ich einem armen Kaufmann die Letzte Ölung verabreicht, der das Mißgeschick erlitten hatte, in den Armen einer Frau zu sterben. Oft hatte ich dieses Bordell im Priestergewand aufgesucht. Es war nichts Schockierendes dabei.
    So betrat ich es auch jetzt, innerlich außer Rand und Band. Die Frauen kamen herbei und begrüßten mich: »Guter Pater Ashlar!« Sie redeten immer mit mir, als wäre ich ein Idiot oder ein Kind.
    Zum ersten Mal stieß es mich ab. Ich ging wieder hinaus, auf die Piazza, zum Arno hinunter und über die nächste Brücke. Darauf drängte sich ein Laden an den ändern; es herrschte großer Betrieb, und Leute kamen und gingen. Als ich zufällig aufschaute, sah ich einen Mann, der mich beobachtete, und wieder erkannte ich schon an seinen Kleidern, daß es ein Holländer war. Ich ging auf ihn zu, aber er tauchte im Gedränge unter, und ich fand ihn nicht mehr. Im Handumdrehen war er verschwunden. Einfach verschwunden.
    Da war ich sehr müde, und schließlich streckte ich die Arme aus und fing an zu singen. Ich stand mitten auf der Brücke, rasend vor Angst und Trauer, und bemühte mich, meine Erinnerungen mit meiner Hingabe an Christus zu versöhnen, und ich fing an zu singen. Das war eigentlich nichts Ungewöhnliches; zu solcher Stunde waren die Straßen von Florenz voll von allerlei Ablenkung. Da war ein verrückter Franziskaner, der hin und her schwankte und sang, nichts Verwunderliches.
    Nach und nach nahmen Leute Notiz von mir, wie sie es immer tun. Sie hielten in ihren Tätigkeiten inne, und eine kleine Zuschauermenge versammelte sich. Ich wiegte mich vor und zurück, hielt mit ausgestreckten Armen mein Gleichgewicht und sang, und als ich aufblickte, ganz in mein Lied versunken, sah ich, daß eine wunderschöne Frau mich anstarrte, eine Frau, deren Augen so grün waren wie die des Franziskanerpriesters in Donnelaith und deren Blondhaar lang und elegant aussah.
    Und dann geschah etwas äußerst Erstaunliches. Die Frau zog ihren Schleier vom Gesicht und ging davon. Und ich erkannte, daß das Gesicht, das mich angeschaut hatte, auf den Rücken verdreht war, als sitze der Kopf verkehrt herum auf dem Hals! Ich war fasziniert!
    Meine Leidenschaft war schon unerträglich, aber nun durchzuckte noch eine andere, bösere Erregung mein Herz. Sie ist ein Ungeheuer wie

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