Tanz der Hexen
in den Bergen und Tälern von Irland und Schottland gelebt haben; sie werden auch noch hier sein, wenn die Menschen nicht mehr da sind. Auf sie kommt es nicht an.«
»Aber was ist der Taltos, Vater?« fragte ich. »Ist er ein uraltes und gewöhnliches Ungeheuer, dieser Taltos? Und woher kommt dieses Ding?«
Er senkte den Kopf und bedeutete mir, zuzuhören.
»Gegen die Römer verteidigten wir dieses Tal, als wir Krieger waren in alten Zeiten und die großen Steine zusammentrugen! Vor den Dänen schützten wir es, den Nordmännern und auch den Engländern.«
»Aye!« rief meine Schwester. »Und einmal schützten wir es auch vor den Taltos, als sie von ihrer Insel flüchteten und sich vor der Armee der Römer in diesem Glen verbergen wollten!«
Mein Vater wandte ihr den Rücken zu und faßte mich bei den Schultern; sie schloß er aus.
»Und jetzt schützen wir Donnelaith vor unseren eigenen schottischen Landsleuten«, sagte er, »und zwar im Namen unserer katholischen Königin, unserer souveränen Herrscherin, und unseres Glaubens. Maria Stuart, die Königin der Schotten, ist unsere einzige Hoffnung. Du mußt dieses Märchen von Zauberei und Hexenwerk beiseite schieben. Es liegt ein Sinn in dem, was du bist, und darin, daß du hergekommen bist. Du wirst Maria, die Königin der Schotten, auf den Thron von England setzen! Du wirst John Knox und seinesgleichen vernichten! Schottland wird nie wieder unter der Knute der Puritaner oder der Engländer schmachten!«
»Er hat keine Antwort auf deine Frage, Bruder!« rief Emaleth.
»Schwester«, sagte ich leise, »was soll ich denn tun?«
»Geh fort aus diesem Tal«, sagte sie, »wie du hergekommen bist. Flieh um dein Leben und um unseret willen, bevor die Hexen wissen, daß du hier bist, und bevor die kleinen Leute es erfahren! Flieh, damit sie nicht die Protestanten auf uns hetzen! Du, Bruder, bist der lebende Beweis für ihre Behauptungen. Du bist das Kind der Hexe, entstellt, monströs! Wenn du die alten Riten wieder ins Leben rufst, werden uns die Protestanten mit Blut an den Händen ertappen. Du kannst die Augen der Menschen ringsum täuschen. Aber im Kampf für Gott kannst du nicht obsiegen. Du bist zum Untergang verdammt.«
»Warum nicht?« rief ich. »Warum kann ich nicht obsiegen?«
»Lauter Lügen«, sagte mein Vater. »St. Ashlar hat obsiegt. St. Ashlar war ein Taltos, und für Gott hat er die Kathedrale erbaut! An derselben Stelle, an der seine Frau, die heidnische Königin, verbrannt wurde, sprudelte eine heilige Quelle aus dem Boden, und dort taufte er alle, die zwischen dem See und dem Paß wohnten. St. Ashlar erschlug die anderen Taltos! Er erschlug sie alle, so daß der Mensch, der nach dem Bilde Gottes geschaffen ist, die Erde beherrschen konnte. Die Kirche Christi ist auf dem Taltos erbaut! Wenn das Hexerei ist, dann ist die Kirche Christi Hexenwerk. Denn es ist ein und dasselbe.«
»Aye, er erschlug sie!« rief Emaleth. »Im Namen des einen Gottes anstelle des anderen! Er führte das Massaker an seiner Stadt an, um sich selbst davor zu retten. Er erschlug seinen Clan, um sich selbst zu retten! Sogar seine Frau hat er geopfert. Das ist dein großer Heiliger: ein Ungeheuer, das alle in seiner Umgebung täuschte, um selbst die Führung zu übernehmen und sich am Ruhm zu mästen und nicht mit seinem eigenen Volk zu sterben.«
»Um der Liebe Gottes willen, mein Sohn«, sagte mein Vater zu mir, »dieses Wunder gehört jetzt uns. Es geschieht nur einmal in vielen hundert Jahren.«
Meine Schwester funkelte mich an, aber er zog sie zurück.
Und ich sah sie nebeneinander, wie sie mich anschauten, sah sie als Menschen, und wie ähnlich sie einander waren.
»Wartet«, sagte ich leise, so leise, daß es ebenso gut ein wilder Schrei hätte sein können. »Ich sehe jetzt klar. Wir alle haben eine Chance vor Gott, wenn wir geboren werden. Das Wort Taltos bedeutet an sich überhaupt nichts. Ich bin aus Fleisch und Blut. Ich bin getauft. Ich habe die Priesterweihe empfangen. Ich habe eine Seele. Körperliche Monstrosität kann mir nicht den Himmel verschließen. Es kommt darauf an, was ich tue! Uns ist nichts vorherbestimmt, wie es uns die Lutheraner und die Calvinisten glauben machen wollen.«
»Das bestreitet hier niemand, Bruder«, sagte Emaleth.
»Dann laß mich die Menschen führen, Emaleth«, sagte ich. »Laß mich durch gute Werke beweisen, daß ich tatsächlich die Gnade Gottes in mir habe. Ich bin kein böses Wesen, weil ich kein böses Wesen sein
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