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Tanz der Hexen

Tanz der Hexen

Titel: Tanz der Hexen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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will. Wenn ich anderen unrecht getan habe, so war es ein Irrtum! Wenn ich so geboren wurde, wie du sagst – und ich weiß jetzt, daß es stimmt -, dann hatte es vielleicht den Sinn, die Macht meiner elenden Mutter zu brechen und meine Schwester zu stürzen, damit Maria Stuart den Thron besteigen kann.«
    »Wissend geboren!« höhnte sie. »Du bist zum Trottel derer geboren, die dich gefangen halten! Und das war der Taltos schon immer. ›Finde den Taltos, schaffe den Taltos! Züchte ihn für das Feuer der Götter, auf daß der Regen fällt und die Ernte wächst!‹«
    »Das ist alt und gilt nicht mehr!« rief mein Vater. »Unser Herr Jesus Christus ist an die Stelle der alten Götter getreten. Er ist unser Gott, und der Taltos ist nicht mehr unser Opfer, sondern unser Heiliger. Wenn die betrunkenen Männer des Dorfes sich heute mit den Fellen und Hörnern der Tiere schmücken, dann wollen sie in einer Prozession zur Krippe ziehen und nicht mehr wie früher ihrem wilden Treiben nachgehen. Wir sind eins mit den alten Geistern und dem einen wahren Gott. Wir sind im Frieden mit der ganzen Natur, denn wir haben den Taltos zum Hl. Ashlar gemacht! Und in diesem Tal haben wir tausend Jahre lang in Sicherheit und Wohlstand gelebt. Bedenke das, Tochter: tausend Jahre! Die kleinen Leute fürchten uns; sie stören uns nicht. Abends stellen wir ihnen das Milchopfer hinaus, und sie wagen nicht, mehr zu nehmen, als wir ihnen überlassen.«
    »Das ist zu Ende«, antwortete sie. »Geh fort, Ashlar, denn sonst gibst du den Protestanten genau das, was sie brauchen. Die Hexen hier im Tal werden dich erkennen. Sie werden dich am Geruch erkennen. Geh, solange noch Zeit ist, und lebe dein Leben in Italien, wo niemand weiß, was du bist.«
    »Ich habe eine Seele in mir, Schwester«, sagte ich so laut, wie ich nur wagte. »Schwester, vertraue auf mich. Ich kann die Menschen zusammenbringen. Ich kann uns zumindest beschützen.«
    Sie schüttelte den Kopf und wandte sich ab.
    »Kannst du es?« rief mein Vater ihr vorwurfsvoll nach. »Kannst du es mit deinen Zaubersprüchen und gottlosen Büchern und ekelerregenden Gesängen? Kannst du irgend etwas in der Welt verändern? Unsere Welt steht vor dem Untergang. Was kannst du da tun? Ashlar, hör mir zu; wir sind ein kleines Tal, ein kleines Glen, ein winziger Teil des Nordlandes nur. Aber wir haben überdauert, und wir wollen weiterleben. Und mehr ist die ganze Welt letzten Endes nicht: kleine Täler, Gruppen von Menschen, die zusammen beten und arbeiten und lieben, wie wir es tun. Rette uns, mein Sohn, ich beschwöre dich. Rufe den Gott, an den du glaubst, um Hilfe an. Und was du einmal warst – und was dein Vater und deine Mutter getan haben -, darauf kommt es nicht im geringsten an.«
    Ich verließ die Halle. Ich war jetzt der Priester, nicht der bescheidene Franziskaner, sondern der Missionar, und ich wußte, was ich zu tun hatte.
    Ich überquerte den Burghof, ging über die Brücke und den verschneiten Pfad hinunter zur Kirche. Aus weitem Rund kamen die Leute mit Fackeln heran; sie schauten mich erst argwöhnisch, dann erregt an und tuschelten einander den Namen »Ashlar!« zu, woraufhin ich nickte und die Hände vielsagend ausbreitete.
    Wieder erblickte ich eine jener winzigen, verwachsenen Kreaturen, in Schwarz gekleidet und mit einer Kapuze verhüllt; das Wesen rannte sehr schnell über das Feld auf mich zu und gleich wieder davon. Ich glaube, die ändern sahen es auch und rückten flüsternd dichter zusammen; aber dann folgten sie mir doch die Straße hinunter.
    Draußen im freien Feld sah ich Männer im Fackelschein tanzen; dunkel hoben sie sich vom Himmel ab, und ich sah die Felle und Hörner! Sie hatten mit den alten heidnischen Jultid-Feiern begonnen. Ich mußte die Prozession beginnen und sie zum Jesuskinde führen. Daran bestand kein Zweifel.
    Als ich das Stadttor erreichte, war eine große Menschenmenge zusammengeströmt. Ich ging zur Kathedrale und gebot ihnen, zu warten. Ich betrat die Sakristei, wo zwei alte Priester zusammenstanden und mir ängstlich entgegenspähten.
    »Gebt mir Gewänder, gebt mir Priesterkleider«, sagte ich. »Ich will das Tal zusammenführen. Ich brauche für den Anfang mindestens eine Soutane und ein weißes Rochett. Tut, was ich euch sage.«
    Sofort halfen sie mir hastig beim Ankleiden. Mehrere junge Akolythen erschienen und warfen mir Gewänder und Rochetts über.
    »Kommt, ihr beiden«, sagte ich zu den verängstigten Priestern. »Seht doch, die

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