Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tanz der Hexen

Tanz der Hexen

Titel: Tanz der Hexen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
Vom Netzwerk:
Altare Gottes will ich treten…
    Bei der Wandlung, als die kleinen Glöckchen läuteten, um den heiligen Augenblick zu kennzeichnen, hielt ich die Hostie hoch. Das ist mein Leib. Ich nahm den Kelch. Das ist mein Blut. Ich aß den Leib. Ich trank das Blut.
    Und schließlich wandte ich mich der Gemeinde zu, um die Kommunion auszuteilen und sie auf mich zuströmen zu sehen, die Jungen und Alten, die Schwachen und Starken und die mit kleinen Kindern auf den Armen, deren Köpfe sie senkten, während sie selbst den Mund öffneten, um die heilige Hostie zu empfangen.
    Hoch oben unter den schmal aufragenden Bögen der gewaltigen Kirche lauerten die Schatten, aber das Licht stieg empor, gesegnet und hell, drang in jeden Winkel, um ihn zu beleuchten, und tastete nach dem hintersten kalten Stein, um ihn zu wärmen.
    Der Laird selbst, mein Vater, kam zu mir, um die Kommunion zu empfangen, und bei ihm war meine furchtsame Schwester Emaleth, die im letzten Augenblick den Kopf senkte, damit niemand sah, daß ich ihr die Hostie verweigerte.
    Das Austeilen der Kommunion schien mehr als eine Stunde zu dauern; immer wieder gingen wir hin und her, um Kelch für Kelch zu holen, bis alle Männer und Frauen des Tales daran teilgehabt hatten. Alle hatten den lebendigen Christus in ihr Herz aufgenommen.
    In keiner Kirche in Italien hatte ich je solches Glück erlebt, und auch nie auf freiem Feld unter Gottes gewölbtem Himmel und Seinen makellos hingemalten Sternen. Als ich mich umwandte und die Abschiedsworte sprach – »Gehet hin in Frieden« -, da sah ich Mut und Glück und Frieden in allen Gesichtern.
    Die Glocke läutete schneller, ja, irrwitzig im Geist des Frohlockens. Die Dudelsäcke stimmten eine wilde Melodie an, und die Trommeln begannen zu schlagen.
    »Zur Burg!« riefen die Leute. »Es ist Zeit für den Schmaus der Lairds.«
    Und unversehens fand ich mich hoch oben auf den Schultern der starken Männer des Dorfes.
    »Wir werden den Mächten der Hölle Widerstand leisten!« riefen die Leute. »Wir werden kämpfen bis zum Tode, wenn wir müssen.«
    Es war gut, daß sie mich trugen, denn die Musik war so fröhlich und so laut geworden, daß ich nicht hätte gehen können. Ich war so verzaubert und von Sinnen, als sie mich durch die Kirche trugen, aber diesmal wandte ich mich doch nach rechts und schaute zu der schwarzen Gestalt meines Heiligen im Fenster hinauf.
    Morgen, wenn die Sonne aufgeht, dachte ich, werde ich zu dir kommen. Franziskus, sei mit mir. Sag mir, ob ich meine Sache gut gemacht habe. Dann überwältigte mich die Musik vollends; nur mit Mühe konnte ich aufrecht sitzen, als sie mich zur Kirche hinaus und in die Dunkelheit trugen, wo der Schnee schimmernd auf dem Boden lag und die Fackeln von der Burg herab loderten. Die große Halle der Burg war mit grünen Zweigen ausgestreut wie beim ersten Mal, als ich sie gesehen hatte. Zahllose Kienspäne brannten, und während die Dörfler mich an die Tafel setzten, wurde der mächtige Julbaum in das klaffende Riesenmaul des Kamins geschoben und angezündet.
    »Brenne, brenne, brenne die zwölf Nächte der Weihnacht«, sangen die Leute aus dem Dorf. Die Dudelsäcke schrillten, die Trommeln dröhnten. Und die Aufträger kamen herein und brachten Platten mit Fleisch und Krüge voll Wein.
    »Jetzt gibt es doch noch einen Weihnachtsfestschmaus«, rief mein Vater. »Wir werden nicht länger in Angst leben.«
    Die Knaben mit dem gebratenen Eberkopf auf der großen Platte kamen herein, und auch die gebratenen Tiere selbst wurden auf geschwärzten Spießen hereingeschleppt. Überall sah ich Damen in prächtigen Gewändern und tanzende Kinder in Gruppen und Kreisen. Schließlich erhoben sich alle und stellten sich in der hohen Halle formlos in Kreisen auf, hoben einen Fuß und begannen mit dem Stammestanz.
    »Ashlar«, sagte mein Vater, »du hast uns den Herrn zurückgebracht. Gott segne dich.«
    Ich saß staunend am Tisch und beobachtete sie alle. In meinem Kopf pochte der Trommelklang. Ich sah, daß die Dudelsackpfeifer jetzt beim Spielen tanzten, was keine Kleinigkeit ist. Und ich sah zu, wie die Kreise zerbrachen und sich zu anderen Kreisen formten. Der Duft des Essens war schwer und berauschend. Und das Feuer loderte machtvoll und grell.
    Ich schloß die Augen. Ich weiß nicht, wie lange ich so dasaß, den Kopf an die Stuhllehne gelegt, und dem Lachen und den Liedern und der Musik lauschte. Jemand gab mir Wein zu trinken, und ich nahm ihn. Jemand gab mir Fleisch zu essen, und

Weitere Kostenlose Bücher