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Tanz der Hexen

Tanz der Hexen

Titel: Tanz der Hexen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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dann senkte ich demütig den Kopf. »Hl. Franziskus, hilf mir jetzt«, betete ich.
    »Ich kenne diese ganze Geschichte«, erklärte der Holländer, und meine Schwester nickte. Er fuhr fort. »Wir sind ein Orden mit Namen Talamasca. Wir kennen den Taltos. Immer schon. Unser Gründer hat den Taltos seiner Zeit mit eigenen Augen gesehen. Es war sein großer Traum, den männlichen mit dem weiblichen Taltos zusammenzubringen – oder mit der Hexe, deren Blut stark genug ist, den Samen des Taltos aufzunehmen. Das ist seit Jahrhunderten unser Ziel: zu wachen, zu warten und den Taltos zu erretten! Einen männlichen und einen weiblichen in einer Generation, wenn so etwas je Zustandekommen sollte! Ashlar, wir wissen, wo ein weiblicher ist! Verstehst du?«
    Ich sah, daß meine Schwester darüber verblüfft war. Das hatte sie nicht gewußt, und jetzt sah sie den Holländer mißtrauisch an, aber er sprach so drängend weiter wie zuvor.
    »Hast du eine Seele, Pater?« fragte er flüsternd, und sein Verhalten wurde verschlagener. »Und einen Verstand, um zu wissen, was es bedeutet? Ein reiner weiblicher Taltos? Und eine Brut von Kindern, wissend geboren, die schon am ersten Tag stehen und sprechen können? Kinder, die im Handumdrehen weitere Kinder zeugen können?«
    »Oh, was für ein Dummkopf du bist«, sagte ich. »Du kommst wie der Satan, der Christus versucht in der Wüste. Du sagst zu mir: ›Ich mache dich zum Beherrscher der ganzen Welt.‹«
    »Ja, das sage ich! Und ich bin bereit, dir zu helfen, dein Volk mit seiner ganzen Macht zurückzubringen.«
    »Aber du hältst mich für ein unverständiges Ungeheuer. Warum solltest du so großzügig zu mir sein?«
    »Bruder, geh mit ihm«, sagte meine Schwester. »Ich weiß nicht, ob dieses Weib existiert. Ich habe nie einen weiblichen Taltos gesehen. Aber sie werden geboren, das stimmt. Wenn du nicht fortgehst, wirst du heute nacht sterben. Du hast von den kleinen Leuten erzählen hören. Weißt du, was sie sind?«
    Ich antwortete nicht. Am liebsten hätte ich gesagt, es ist mir gleich.
    »Sie sind die Hexenbrut, die es nicht vermag, zum Taltos heranzuwachsen. Sie tragen in sich die Seelen der Verdammten.«
    »Die Verdammten sind in der Hölle«, antwortete ich.
    »Du weißt, daß das nicht stimmt. Die Verdammten kehren in vielerlei Gestalt zurück. Die Toten können ruhelos sein, gierig, rachsüchtig. Die kleinen Leute tanzen und paaren sich; sie ziehen christliche Männer und Frauen an, die Hexen sein wollen, die tanzen und Unzucht treiben wollen. Sie hoffen, daß Blut zu Blute komme, daß gleich zu gleichem finde und daß der Taltos geboren werde.
    Das ist Hexerei, Bruder. Das war es immer – man führt die trunkenen Weiber zusammen, damit sie den Tod in Kauf nehmen, um den Taltos zu machen. Das ist die alte Geschichte der Ausschweifungen in diesen dunklen Hochtälern. Ein Volk von Riesen soll geschaffen werden, das durch seine schiere Übermacht die anderen Sterblichen von der Erde vertreiben soll.«
    »Gott würde so etwas nicht zulassen«, sagte ich ruhig.
    »Die Menschen im Tal auch nicht«, sagte der Holländer. »Verstehst du denn nicht? Jahrhunderte hindurch haben sie gewartet und gewacht und den Taltos benutzt. Für sie bedeutet es Glück, den männlichen und den weiblichen zusammenzubringen, aber nur für ihre eigenen grausamen Rituale.«
    »Ich weiß nicht, wovon du redest. Ich bin kein solches Ding.«
    »In meinem Haus in Amsterdam gibt es tausend Bücher, die dir von deiner Art und von vielen anderen wunderbaren Wesen erzählen; dort ist alles Wissen, das wir zusammengetragen haben, während wir warteten. Wenn du kein Einfaltspinsel bist, dann komm mit.«
    »Und was bist du?« fuhr ich ihn an. »Der Alchimist, der einen großen Homunkulus schaffen will?«
    Meine Schwester ließ den Kopf auf den Tisch sinken und weinte.
    »Als Kind habe ich die Legenden gehört«, sagte sie erbittert und wischte sich mit langen Fingern die Tränen ab. »Ich habe gebetet, der Taltos möge niemals kommen. Nie sollte mich ein Mann berühren, auf daß ich niemals eine solche Kreatur zur Welt bringen möge! Und sollte es doch geschehen, Gott behüte, dann wollte ich es erwürgen, ehe es die Milch der Hexe aus meinen Brüsten trinken könnte. Doch dich, Bruder, dich hat man leben lassen, du hast dich an der Hexenmilch sattgetrunken und bist groß geworden. Aber man hat dich fortgeschickt, um dich zu retten. Und jetzt kommst du zurück, um die schlimmsten Prophezeiungen zu erfüllen.

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