Tanz der Hexen
ich nahm es ebenfalls. Denn es war Weihnachten, und ich durfte Fleisch essen, wenn ich wollte; an diesem Tag der Tage brauchte ich kein armer Franziskaner zu sein.
Ich hörte, wie eine Veränderung über die Halle kam. Ich hielt es erst nur für eine Flaute. Dann war mir klar, daß die Trommeln jetzt langsamer schlugen. Sie klangen ominöser, und die Dudelsäcke spielten ein gedehntes, dunkles Lied.
Ich schlug die Augen auf. Die Gesellschaft hatte sich in Schweigen gehüllt, oder die Musik hatte sie in ihren Bann geschlagen – ich weiß es nicht. Ich spürte, daß mir schwindlig werden würde, wenn ich mich jetzt bewegte. Ich sah die Trommler, sah ihren starren Gesichtsausdruck und auch die ernsten, trunkenen Mienen der Pfeifer.
Das war keine Weihnachtsmusik. Das war insgesamt dunkler, glänzender, irrer. Ich wollte aufstehen, aber die Musik überwältigte mich. Und mir schien, als sei alle Melodie daraus verschwunden, als werde nur noch ein Thema unablässig wiederholt – so, als strecke jemand die Hände aus und mache die gleiche Geste wieder und wieder, und wieder.
Dann kam der Duft. Ah, es ist nur meine Schwester, dachte ich; ich allein kenne ihn und werde jegliches Verlangen ersticken, das er vielleicht hervorrufen möchte.
Doch dann erhob sich ein Aufschrei unter denen, die in der großen Halle verstreut saßen oder auf der Treppe versammelt waren. Ja, einige wandten sich ab und verhüllten ihre Gesichter, und andere drückten sich an die Wand.
»Was ist denn?« rief ich. Mein Vater stand starren Blicks da und schien ganz unerreichbar zu sein. Und ich sah, daß meine Schwester Emaleth sich genauso verhielt, und alle meine Verwandten und die anderen Häuptlinge ebenfalls. Die Trommeln schlugen immer weiter, und die Dudelsäcke wimmerten mahlend.
Der Duft wurde stärker, und ich hatte Mühe, auf den Beinen zu bleiben, als ich eine Gruppe von Leuten, die ganz und gar in Schwarz und Weiß gekleidet waren, in die Halle kommen sah.
Ich kannte diese strenge Kleidung. Ich kannte die steifen weißen Kragen. Es waren die Puritaner. Waren sie gekommen, um Krieg zu führen? Sie verbargen etwas in ihrer Mitte, bewegten sich geschlossen vorwärts, und jetzt schien es, als seien die Pfeifer und Trommler ebenso in den Bann ihrer Musik geraten wie ich.
»Schaut, die Protestanten!« wollte ich rufen, aber meine Worte waren weit fort. Der Geruch wurde immer stärker.
Und endlich brach der Kreis der Schwarzgekleideten auf, und in der Mitte stand ein kleines, verkrümmtes, zwergenhaftes Weibchen mit großem, grinsenden Mund. Sie hatte einen Buckel, und ihre Augen glühten.
»Taltos, Taltos, Taltos!« kreischte sie und stürzte auf mich zu, und ich wußte, der Geruch kam von ihr! Ich sah, daß meine Schwester auf mich zustürzte, aber mein Vater packte sie und zwang sie zu Boden. Sie sträubte sich, aber er hielt sie auf den Knien.
Eine vom kleinen Volk, bitter, mit feurigem Blick.
»Aye, aber wir werden Riesen machen miteinander, mein großer Bruder, mein Gemahl!« schrie sie. Und als sie die Arme ausbreitete, klafften die Fetzen ihres Lumpengewandes auseinander, und ich sah ihre Brüste; groß und einladend hingen sie auf den kleinen Bauch herab.
Der Geruch erfüllte meine Nase und meinen Kopf, und als sie vor mir auf den Tisch kletterte, schien sie vor meinen Augen zu wachsen und schön zu werden, eine anmutige Frau mit schlanken Gliedmaßen und langen weißen Fingern, die sich mir entgegenstreckten, um mein Gesicht zu liebkosen. Eine reine Frau von deiner eigenen Art.
»Nein, Ashlar!« rief meine Schwester, und ich sah, wie die Faust meines Vaters abwärts sauste, und hörte, wie ihr Körper auf den Steinboden fiel.
Die Frau vor mir strahlte; ich sah, wie ihr rotgoldenes Haar immer länger wurde und über ihren nackten Rücken und zwischen den Brüsten herunterfloß. Sie lüftete diesen Schleier und entblößte sich vor mir; sie hob mir ihre Brüste mit beiden Händen entgegen, ließ sie wieder sinken und spreizte mit den Fingern die verborgenen Lippen des rosig nassen Mundes zwischen ihren Beinen.
Ich kannte keine Vernunft mehr, nur noch Leidenschaft, nur noch Musik, nur noch diese Schönheit, die mich in ihren Bann geschlagen hatte. Man hatte mich auf den Tisch gehoben. Sie legte sich hin, und man hob mich über sie.
»Taltos, Taltos, Taltos! Macht den Taltos!«
Die Trommeln schlugen immer lauter, als gebe es für ihr Dröhnen keine Grenzen. Der Klang der Dudelsäcke war ein einziges, langgezogenes Gellen.
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