Tanz der Hexen
Siehst du es denn nicht? Vielleicht verbreiten die Hexen gerade jetzt die Kunde. Das rachsüchtige kleine Volk wird erfahren, daß du hier bist. Die Protestanten haben das Tal umzingelt. Sie warten nur auf eine Gelegenheit, auf uns herabzustoßen, sie warten auf den Funken, der ihr Feuer entfacht.«
»Das sind Lügen. Lügen, die das Licht Christi auslöschen sollen, das heute nacht in die Welt kommen will. Du hörst das Glockenläuten. Ich werde jetzt die Messe lesen. Schwester, komme nicht zum Altar mit deinem heidnischen Aberglauben. Ich werde dir den Leib Christi nicht auf die Zunge legen.«
Als ich mich erhob, um hinauszugehen, wollte der Holländer mich festhalten. Ich stieß ihn mit meiner ganzen Kraft von mir.
»Ich bin ein Priester Gottes«, sagte ich, »ein Jünger des Hl. Franz von Assisi. Ich bin gekommen, um in diesem Tal die Christmette zu lesen. Ich bin Ashlar, und ich stehe in der Hand Gottes.«
Ohne innezuhalten, ging ich zum Portal der Kathedrale. Die Menge brach in lauten Jubel aus, als ich die Kirche öffnete. In meinem Kopf schwirrten die Satzfetzen, Drohungen, Verdächtigungen herum, die ich gehört hatte – lauter Dämonenwerk, dessen war ich sicher.
Ich trat hinaus unter die Stadtbürger und hob segnend die Hand. In nomine patris et filii et spiritus sancti. Amen. Ein schönes junges Mädchen hatte sich gefunden, das mit blauem Schleier in unserem Festzug die Selige Jungfrau Maria abgeben wollte, und ein rosenwangiger Junge wollte den Joseph spielen – gerade erst war ihm der Bart gewachsen, und er mußte ihn mit Kohle schwärzen. Ein Säugling, erst vor wenigen Tagen geboren, rosig, klein und schön, wurde mir in die Arme gelegt.
Ich sah, wie die Männer in ihren Tierfellen und mit brennenden Kerzen in den Händen sich versammelten. Überhaupt strahlte das ganze Tal von brennenden Kerzen. Die Stadt war von Kerzen erfüllt, und bald würde die große, schöne Kirche hinter uns dieses Licht empfangen.
Die Glocke schlug die Mitternachtsstunde. Es war Weihnachten. Christus war geboren. Die Dudelsackpfeifer kamen in ihren weiten Tartanröcken in die Kirche; die kleinen Kinder kamen in Weiß wie die Engel, und das ganze Volk, Reiche wie Arme, in Lumpen und in feinen Gewändern, alle drängten sich durch die Türen.
Unsere Stimmen erhoben sich im Kirchenlied: »Christ ist geboren, Christ ist geboren.« Und wieder hörte ich die Tamburine, die Flöten und den Trommelschlag. Der Rhythmus packte mich so, daß mir alles vor Augen verschwamm, aber ich ging weiter, den Blick starr auf den strahlenden Altar und die Heukrippe gerichtet, die rechts davon vor der marmornen Kommunionbank stand. Das Kind in meinen Armen stieß kraftvolle kleine Schreie aus, als wolle es ebenfalls die frohe Botschaft verkünden, und es strampelte mit den stämmigen, hübschen Beinchen, als ich es hochhielt.
Ich war nie ein solches Kind gewesen. Ich war nie ein solches Wunder gewesen. Ich war etwas Altes, vergessen vielleicht, angebetet in Zeiten der Finsternis. Aber darauf kam es jetzt nicht mehr an. Sicher sah Gott mich! Sicher wußte Gott, wie ich Ihn liebte.
Endlich hatte ich den weiten Chor erreicht. Ich beugte das Knie und legte das Kind in das Bett von Heu. Man hatte Linnen dafür bereitgelegt. Das Kind weinte heftig, als es so alleingelassen wurde – das arme Christkind! Und meine Augen füllten sich mit Tränen, als ich seine alltägliche Vollkommenheit sah, die gewöhnliche Symmetrie, den natürlichen Glanz seiner Augen und seiner Stimme.
Ich trat zurück. Die Jungfrau Maria war neben diesem kleinen Wunder niedergekniet. Zur Rechten der kleinen Krippe kniete der junge Joseph, und jetzt kamen die Hirten herein, unsere eigenen Hirten aus Donnelaith mit warmen Schafen über den Schultern, und auch die Kuh und der Ochse und der Esel wurden zur Krippe geführt. Der Gesang wurde immer lauter und schöner und verflochtener, und darunter klangen Trommeln und Flöten. Schwankend stand ich da. Mein Blick vernebelte sich. Und während ich tief, beinahe unwiederbringlich, in der Musik versank, erkannte ich in meiner Trauer, daß ich meinen Heiligen nicht gesehen hatte. Ich hatte nicht daran gedacht, zum Fenster hinaufzuschauen, als ich den Mittelgang hinuntergegangen war. Aber es war auch nicht wichtig. Er war nichts als Glas und Vergangenheit.
Ich würde nun den lebendigen Christus erschaffen. Meine Altardiener waren bereit. Ich ging bis zum Fuße der Treppe und begann mit den uralten lateinischen Worten.
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