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Tanz der Hexen

Tanz der Hexen

Titel: Tanz der Hexen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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Rasens. Er ging bis in die Mitte und ließ den Blick langsam über die dunkle Fassade des Nachbarhauses wandern. Kein einziges Licht schimmerte dort, und die Fenster waren von Eibenzweigen und Bananenstauden und Magnolien überwuchert, so daß nichts zu sehen war. Sein Blick ging weiter über das dunkle Gebüsch am vorderen Zaun entlang und auf die verlassene Straße hinaus.
    Nichts rührte sich im Garten. Nichts regte sich im Haus. Nichts bewegte sich hinter dem Zaun. Es gab keinen Zeugen. In der tiefen Stille im Dunkel des Garden District war wieder getötet worden, und niemand hatte es bemerkt. Niemand würde kommen. Niemand würde rufen.
    Was tust du jetzt? Er zitterte am ganzen Körper; seine Hände waren glitschig von Schweiß und Blut. Sein Knöchel tat weh; er hatte sich den Fuß verstaucht, beim Herunterklettern am Spaliergitter, oder als er die letzten anderthalb Meter zu Boden gefallen war. Aber das machte nichts. Er konnte gehen, er konnte sich bewegen. Er konnte den Hammer abwischen. Er spähte nach hinten in den dunklen Garten, vorbei am blauen Schimmer des Pools und durch das Eisentor ganz nach hinten. Er sah Deirdres Eiche, die ihre mächtigen Arme zum Himmel streckte und die blassen Wolken verdeckte.
    Unter der Eiche, dachte er. Wenn ich wieder atmen kann. Wenn ich… wenn ich… Und er sank ins Gras, fiel auf die Knie und kippte zur Seite.

 
38

    Lange Zeit lag er so da. Er schlief nicht. Der Schmerz kam und ging. Schließlich atmete er ein, und es tat nicht mehr so weh. Er setzte sich auf, und der Schmerz fing an, in ihm zu pochen, aber er blieb klein und schien sich auf die Kammern oder die Ventile seines Herzens zu beschränken; er wußte nicht, was es war, und es war ihm auch egal. Er stand auf und ging zu dem Plattenweg zurück.
    Das Haus lag im Dunkeln, still und ruhig wie zuvor. Meine geliebte Rowan. Aaron… Aber er konnte den zerschmetterten Leichnam nicht hier liegen lassen.
    Er lag da, wie er ihn verlassen hatte; nur, daß er jetzt noch platter wirkte, vielleicht verdrehter. Er wußte es nicht; er bückte sich und nahm den Oberkörper in die Arme. Die Überreste des Kopfes lösten sich und blieben an den Steinplatten kleben; die letzten Muskelfasern rissen wie Hühnerfett.
    Na, er würde nachher zurückkommen und den Kopf holen. Er trug den Körper nach hinten und ließ die Beine schleifen; er trug ihn um den Pool herum und in den hinteren Garten.
    Es war nicht schwer nach den Anstrengungen des Totschlags. Der Leichnam wog nicht viel, und er ging die Arbeit langsam an. Einmal kam ihm in den Sinn, daß der richtige Platz für das Grab eigentlich unter der Myrte im Vorgarten lag. Dort hatte er »den Mann« als Junge zum ersten Mal gesehen, wie er ihn angestarrt und angelächelt hatte, als er draußen am Zaun vorübergegangen war.
    Aber von der Straße aus könnte ihn jemand sehen. Nein, hinten im Garten war es besser. Unter Deirdres Eiche konnte ihn niemand graben sehen. Und da waren ja noch die beiden anderen Leichen – Norgan und Stolov. Er wußte, daß Stolov tot war. Er hatte es gewußt, als er ihn rückwärts die Treppe hatte hinunterfallen sehen. Michael hatte ihm das Genick gebrochen. Und daß Norgan tot war, hatte er auch gesehen.
    Im Garten hinten war es dunkel und feucht; die Bananenbäume waren nach dem Weihnachtsfrost schon wieder nachgewachsen, und ihre Wedel streckten sich im Bogen hinaus über die hohe Ziegelmauer. Im Dunklen konnte er die Wurzeln der Eiche kaum erkennen. Er legte den Leichnam auf den Boden und verschränkte ihm die Arme auf der Brust. Wie eine große schlanke Puppe sah er aus mit seinen großen Füßen und den langen Händen, kalt und still.
    Er ging zurück zum Plattenweg vor der Veranda und zog erst den Pullover und dann das Hemd aus. Er zog den Pullover wieder an, hob den Kopf behutsam bei den Haaren auf und legte ihn auf das Hemd. Er achtete darauf, sich nicht noch mehr mit Blut zu beschmieren; er war schon bespritzt genug. Der größte Teil von Haut, Knochensplittern und Blut blieb am Kopf hängen, aber den Rest, eine weiche, feuchte, blutige Handvoll, mußte er zusammenkratzen. Er wischte die Masse mit dem Taschentuch von der Hand zum Kopf in das Hemd, und dann faltete er das Hemd zusammen. Ein Bündel. Ein Bündel Kopf.
    Er trug den Kopf zum Fuße der Eiche. Dann verschloß er das Eisentor zum hinteren Garten für den Fall, daß irgendwelche Verwandte hier herumspazieren sollten.
    Die Schaufel stand im Schuppen. Er hatte sie noch nie benutzt. Hier

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