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Tanz der Hexen

Tanz der Hexen

Titel: Tanz der Hexen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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nein sagen können zur uralten Evelyn und zu Granddaddy Fielding und all den Alten, denen so viel daran gelegen war. Ryans Mutter hätte ihnen nie verziehen, wenn sie nicht in Weiß geheiratet hätten. Und Gifford hatte Alicia schon nicht mehr allein lassen können; sie war noch so jung und schon verrückt, und ständig geriet sie in Schwierigkeiten.
    Nein, in Wirklichkeit war es nie in Frage gekommen, daß Gi f ford wegzog und ein Leben im Norden oder in Europa oder sonst wo auf dem Planeten führte. Der größte Streit hatte sich um die Kirche gedreht. Würden Gifford und Ryan in der Kirche vom Heiligen Namen heiraten oder nach St. Alphonsus im Irish Channel zurückkehren?
    Gifford und Alicia waren auf die Schule vom Heiligen Namen gegangen, stadtauswärts auf der anderen Seite des Audubon Park gelegen, Welten entfernt von der alten St.-Alphonsus-Gemeinde. Die Kirche war damals noch weiß gewesen, bevor man das Kirchenschiff renoviert hatte, und die Statuen waren auf das feinste aus reinem Marmor gehauen.
    In dieser Kirche an der Avenue war Gifford zur Kommunion und zur Konfirmation gegangen, und im letzten Collegejahr war sie hier in der Prozession mitgegangen, einen Blumenstrauß in der Hand, in einem weißen, knöchellangen Kleid und mit hochhackigen Schuhen – ein Ritual, einer Debütantin würdig.
    Heiraten in der Kirche vom Heiligen Namen. Es erschien so natürlich. Was bedeutete ihr denn St. Alphonsus, die alte Kirche der Mayfairs? Und Deirdre Mayfair würde es nie erfahren. Sie war zu jener Zeit schon hoffnungslos wahnsinnig. Gran d daddy Fielding war es, der sich aufregte. »St. Alphonsus ist unsere Kirche, und du als zehnfache Mayfair!«
    Zehnfache Mayfair. »Ich hasse diesen Ausdruck. Er bedeutet nichts«, hatte Gifford oft genug erwidert. »Ich muß dabei an zehnfach gefaltete Servietten denken.«
    »Unfug«, hatte die uralte Evelyn gesagt. »Es bedeutet, daß du zehnfach zur Familie gehörst. Eine zehnfache Abstammungslinie. Das bedeutet es. Und darauf solltest du stolz sein.«
    Ja, wir haben den Alten gehört, dachte Gifford. Ihr Leben lang war ihre Mutter krank gewesen, eine leidende Einsiedlerin, die hinter geschlossenen Türen auf und ab gegangen und schlie ß lich gestorben war, als Gifford und Alicia noch so jung waren.
    Aber Gifford dachte immer noch mit einem Nachklang von Zärtlichkeit an dieses alte Leben, an die Spaziergänge auf der Avenue mit der uralten Evelyn, die immer ihren irischen Spazierstock dabeigehabt hatte. Und daran, wie sie Granddaddy Fielding vorgelesen hatte.
    Nein, in Wirklichkeit wollte ich nie weg, dachte sie. Sie war nie lange in einer modernen amerikanischen Großstadt geblieben. Dallas, Houston, Los Angeles – das war nicht ihr Geschmack, obwohl die anfängliche Sauberkeit und Effizienz durchaus anziehend wirken konnten. Sie erinnerte sich, wie sie Los A n geles als Kind zum ersten Mal gesehen hatte. Was für eine Wunderstadt! Aber die anderen hatte sie bald satt gehabt. Und vielleicht bestand der Zauber von Destin darin, daß es so nah bei New Orleans lag. Man brauchte nichts aufzugeben, um herzukommen. Man konnte Vollgas geben, und bei Sonnenuntergang sah man die Eichen wieder. New Orleans, die Stadt der Schaben, die Stadt des Verfalls, die Stadt unserer Familie und so glücklicher, glücklicher Menschen.
    Sie erinnerte sich an das Zitat von Hilaire Belloc, das sie nach dem Tod ihres Vaters in seinen Papieren gefunden hatte:
     
    Überall im katholischen Sonnenschein
    Gibt’s Musik und Lachen und guten roten Wein.
    Zumindest fand ich es immer so.
    Benedicamus Domino!
     
    »Ich will dir ein kleines Geheimnis verraten«, hatte ihre Mutter Laura Lee einmal gesagt. »Wenn du eine zehnfache Mayfair bist – und das bist du -, dann wirst du außerhalb von New O r leans niemals glücklich werden. Versuch’s nicht erst.« Nun, sie hatte wahrscheinlich recht gehabt. Zehnfach, fünfzehnfach. Aber war Laura Lee denn glücklich gewesen? Gifford erinnerte sich noch an ihr Lachen, an den Riß in ihrer tiefen Stimme. »Ich bin zu krank, um ans Glücklichsein zu denken, mein li e bes Töchterlein. Bring mir die Times-Picayune und eine Tasse heißen Tee.«
    Und wenn man bedachte, daß Mona mehr Mayfair-Blut in sich hatte als irgend jemand sonst in der Sippe… Was war sie – eine zwanzigfache Mayfair? Hatte es in den letzten vier oder fünf Generationen überhaupt noch frisches Blut gegeben?
    Es wurde allmählich lächerlich. Mayfairs heirateten Mayfairs. Sie machten sich nicht

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