Tanz der Hexen
Pierce Mayfair he i ratete, was wirklich, wirklich, wirklich nicht sein dürfte, da sie beide – wie Alicia und Patrick – von Julien abstammten. Aber was nützte es, ihm das zu sagen? Was nützte es? Es gab ke i ne Argumente, es gab keinen Austausch von Ideen, es gab kein echtes Vertrauen.
Aber Liebe, dachte sie. Es gibt Liebe, und es gibt eine Form von Respekt. Sie war von niemandem auf der Welt so abhä n gig wie von Ryan. Und so sagte sie, was sie bei solchen Gel e genheiten immer sagte.
»Ich liebe dich, Darling.«
Es war wunderbar, ein solches Ingrid-Bergman-Zitat mit so viel Herz auszusprechen und es so vorbehaltlos ehrlich zu meinen. »Wirklich.« Gifford Glückspilz.
»Gifford…« Schweigen am anderen Ende. Ein Rechtsanwalt, der still nachdachte, der Mann mit den silberweißen Haaren und den blauen Augen, der mit ihr die Verantwortung für die Familie teilte. Warum sollte er an Geister glauben? Geister versuchten nicht, Testamente anzufechten, sie verklagten e i nen nicht, sie drohten nicht mit Steuerprüfungen, sie schrieben einem für einen Lunch mit zwei Martinis keine Rechnung.
»Was ist denn, Darling?« fragte sie leise.
»Wenn du das glaubst«, sagte er, »wenn du wirklich glaubst, was du mir da gerade gesagt hast… wenn dieser Geist durchgedrungen ist… und das Haus leer ist… warum wolltest du dann nicht hingehen, Gifford? Warum bist du heute nicht gekommen?«
»Das Ding hat Rowan weggelockt!« antwortete sie wütend. »Die Sache ist noch nicht vorbei, Ryan!« Plötzlich saß sie aufrecht auf dem Sofa. Alle Gutwilligkeit, die sie für ihren Mann empfunden hatte, war wie üblich verschwunden. Er war der ermüdende, unmögliche Kerl, der ihr Leben ruiniert hatte. Das war die Wahrheit. Es war auch die Wahrheit, daß sie ihn lie b te. Und es war die Wahrheit, daß der Geist durchgedrungen war. »Ryan, fühlst du nichts in diesem Hause? Spürst du nichts? Es ist noch nicht vorbei, es hat gerade erst angefa n gen! Wir müssen Rowan finden!«
»Ich komme dich morgen früh holen«, sagte er. Er war jetzt wütend. Ihr Zorn hatte seinen Zorn hervorgelockt. Aber er gab sich Mühe. »Ich möchte kommen und dich nach Hause h o len.«
»Okay, Ryan«, sagte sie. »Ich wünsche es mir.« Sie hörte den flehenden Unterton in ihrer Stimme, den flehenden Ton, der Kapitulation bedeutete.
Sie war nur froh, daß sie den Mut gehabt hatte, zumindest das wenige über »den Mann« zu sagen, was sie gesagt hatte. Sie hatte ihren Teil zu Protokoll gegeben, und jetzt konnte er mit ihr streiten, sie niedermachen, sie zu Tode kritisieren – später vielleicht. Morgen.
»Gifford, Gifford, Gifford…«, sang er leise. »Ich fahre zu dir. Ich bin da, bevor du wach wirst.«
Und plötzlich fühlte sie sich schwach und auf irrationale Weise bewegungsunfähig, bis er herkäme, bis sie ihn zur Tür herei n kommen sähe.
»Schließ das Haus bitte gut ab«, sagte er, »und geh schlafen. Ich wette, du hast dich wieder auf die Couch plumpsen lassen, und alles steht sperrangelweit offen.«
»Ich bin hier in Destin, Ryan.«
»Schließ ab, sieh nach, ob die Pistole im Nachttisch liegt, und bitte, bitte schalte die Alarmanlage ein.«
Die Pistole, du lieber Gott! »Als ob ich die benutzen würde, wenn du nicht dabei bist.«
»Aber genau dann brauchst du sie, Darling. Wenn ich nicht dabei bin.«
Sie lächelte wieder, als sie an Mona dachte. Peng, peng, peng.
Küsse.
Sie warfen einander immer noch Küsse zu, bevor sie auflegten.
Das erste Mal hatte sie ihn geküßt, als sie fünfzehn war und sie »miteinander gingen«, und später, als Mona zur Welt kam, hatte Alicia gesagt: »Du hast Glück. Du liebst deinen Mayfair. Ich habe meinen wegen dem hier geheiratet!«
Gifford wünschte, sie hätte das Baby zu sich genommen, gleich damals, auf der Stelle. Wahrscheinlich hätte Alicia es zugelassen. Sie hatte schon damals rund um die Uhr getrunken. Es war ein Wunder, daß Mona überhaupt geboren worden war, und erst recht, daß sie so robust und gesund war. Aber eigentlich hatte Gifford nicht daran gedacht, Alicia das Kind wegzunehmen; sie erinnerte sich noch an die Zeit, als Ellie Mayfair, die sie nie gekannt hatte, Deirdre ihr Baby R o wan weggenommen und nach Kalifornien geschafft hatte, um es vor dem Familienfluch zu retten. Jetzt haßten sie alle de s halb. Es war in demselben schrecklichen Jahr gewesen, in dem Onkel Cortland gestorben war, nachdem er in der First Street die Treppe hinuntergefallen war.
Gifford war damals
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