Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tanz der Kakerlaken

Tanz der Kakerlaken

Titel: Tanz der Kakerlaken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donald Harrington
Vom Netzwerk:
lächerlich, nicht? Ich werde sie aufziehen. Ich dachte mir schon, daß irgendwas nicht stimmt, weil sie noch keinmal geschlagen hat, seit ich zu Hause bin. Ich weiß nicht. Bist du sicher, daß ich nicht … Ja, danke, ich nehme es an. Natürlich habe ich all seine Ausgaben bezahlt, auch die Arztrechnung und alles. Das mindeste, was ich tun konnte. Nun, ich werde dir Bescheid geben. Danke nochmal. Gute Nacht, Omi, schlaf gut.«
    Sharon legt den Hörer wieder dorthin, wo er herkommt. Jetzt steht Sie auf. Sam springt vom Bett und macht sich zum Badezimmer auf, in der Absicht, Ihr den Weg zur Badezimmertür mit seinem eigenen Leib zu verstellen. Sie aber geht nicht zum Badezimmer. Sie geht zum Kaminsims. Sie öffnet das Türchen vor dem Zifferblatt der Uhr, nimmt den Schlüssel, steckt ihn in die Uhr und fängt an, sie aufzuziehen. Sam kann das alte vertraute Kratzen und Knirschen der Innereien der Uhr hören. Sharon dreht den Schlüssel weiter. Bald wird die Uhr wieder im Osten sein. Bald wird die Uhr wieder gehen. Bald wird die Zeit …
     
    38.
    …völlig ins Futur übergehen, denn Sharon zieht die Uhr zu stramm, zu weit, zu heftig, zu sehr östlich auf: Die Hauptfeder wird kaputtgehen, der Trieb der zweiten Reihe wird vom Trieb der dritten Reihe abgleiten, etwas wird zerspringen, und die Uhr wird anfangen, Sonderzeit anzuzeigen, zu schnelle Zeit, zukünftige Zeit: Es wird Zeit sein, die sich noch nicht ereignet haben wird, in der jedoch immer die Möglichkeit steckt, daß sie sich ereignet.
    Sharon wird, ausgesprochen undamenhaft, ausrufen: »Oh, Scheiße!« Dann wird sie seufzen und sagen: »Na gut, ich werd mir eine neue besorgen, eine elektrische, die nicht aufgezogen werden muß. Vielleicht kauf ich mir auch einfach ein Uhrenradio für den Nachttisch.«
    Dann wird sie sich schließlich zum Badezimmer aufmachen. Sie wird eine Knackerlake in ihrem Weg stehen sehen. Sie wird nach Luft schnappen, und dann wird sie mit dem Fuß aufstampfen, aber die Kakerlake wird einfach dort stehen bleiben, als hätte sie keine Angst vor ihr, als versuchte sie, ihr den Weg zum Badezimmer zu versperren.
    »Aus dem Weg, Alfonse«, wird sie sagen, »oder wie du heißen magst.«
    Wird es nur an ihrer Abgespanntheit liegen, daß sie glauben wird, die Kakerlake würde ihr etwas darauf erwidern? Wird sie sich nur einbilden, daß das Insekt versuchen wird, mit ihr zu sprechen?
    Da es keine Anstalten machen wird, das Feld zu räumen, wird sie darüber hinwegsteigen, ohne dem Impuls nachzugeben, darauf zu treten, und in ihrem Badezimmer wird sie eine zweite Kakerlake entdecken, die gesund und munter in ihrer Klosettschüssel schwimmt. »Ihr kleinen Mistkerle denkt wohl wirklich, ihr könntet mein Haus in Besitz nehmen, während ich wegbin, was?« wird sie sagen. »Was soll das hier werden?« Sie wird die Schabe im Wasser anstarren, und die Schabe wird zurückstarren. Sie wird spontan die Hand nach dem Hebel ausstrecken, der die Toilettenspülung auslöst. Die erste Kakerlake, diejenige, die sie Alfonse genannt haben wird, wird hochfliegen und über ihrer Hand flattern, ohne sie ganz zu berühren, und sie wird ihre Hand zurückziehen und ausrufen: »Jesus! Ich wußte nicht, daß Kakerlaken fliegen können!« Sie wird Alfonse hinunterfliegen und neben der anderen Kakerlake im Wasser der Schüssel landen sehen. Jetzt werden sich zwei Schaben in ihrer Klosettschüssel befinden.
    »Versucht ihr alle, Selbstmord zu begehen, oder was?« wird sie fragen. »Oder glaubst du vielleicht, mein Klo wäre ein FKK-Bad, äh, Gaston?« Sie wird beschlossen haben, die andere, die kleinere von beiden, die keine Flügel wie Alfonse hat, mit Gaston anzureden. Aber dann wird sie sagen: »Oh, ich verstehe. Du bist ein Weibchen, was, Gaston? Dann … nenne ich dich Laetitia, das bedeutet Glückseligkeit.« Sharon wird vor sich hinlächeln und sich im Spiegel über der Frisierkommode betrachten, die dunklen Ringe unter ihren Augen, weil sie nicht genug geschlafen hat, das ungekämmte Haar. Sie wird zu ihrem Spiegelbild sagen: »Gott, was bin ich albern.«
    Einen ganz kurzen Moment lang wird sie noch einmal die Hand nach dem Hebel ausstrecken, der das Wasser wirbeln und hinunterschießen und in dem Rohr unten in der Klosettschüssel verschwinden läßt. Aber sie wird ihn nicht betätigen. Statt dessen wird sie eine Handvoll Toilettenpapier zusammenknüllen, und sie wird das Papierknäuel dicht übers Wasser halten, nahe genug, um die Schaben zu berühren oder von

Weitere Kostenlose Bücher