Tanz der seligen Geister (German Edition)
wohlwollend. »Das sei, wie es wolle. Geben Sie mir nur Ihr Ehrenwort, dass es in dem Büro, das Sie benutzen, keine weiteren Vortäuschungen geben wird, kein übles Treiben und dergleichen …«
Meine Wut blieb irgendwie stecken, blockiert von einer törichten Ungläubigkeit. Ich wusste nur genug, um aufzustehen und den Flur hinunterzugehen, verfolgt von seiner Stimme, und die Tür abzuschließen. Ich dachte – ich muss gehen. Aber nachdem ich mich in meinem eigenen Zimmer hingesetzt hatte, vor mir meine Arbeit, dachte ich wieder, wie sehr ich dieses Zimmer mochte, wie gut ich darin arbeitete, und beschloss, mich nicht hinausdrängen zu lassen. Schließlich, war mein Empfinden, hatte der Kampf zwischen uns einen toten Punkt erreicht. Ich konnte mich weigern, die Tür aufzumachen, mich weigern, seine Zettel zu lesen, mich weigern, mit ihm zu reden, wenn wir uns begegneten. Meine Miete war im Voraus bezahlt, und wenn ich jetzt auszog, war es unwahrscheinlich, dass ich davon etwas zurückbekommen würde. Ich hatte mein Manuskript jeden Abend mit nach Hause genommen, damit er es nicht las, und jetzt schien sogardiese Vorsichtsmaßnahme unter meiner Würde zu sein. Was machte es schon, wenn er es las, auch nicht mehr, als wenn im Dunkeln die Mäuse darüberhuschten.
Mehrere Male fand ich danach Zettel an meiner Tür. Ich nahm mir vor, sie nicht zu lesen, tat es aber immer. Seine Anschuldigungen wurden präziser. Er hatte in meinem Zimmer Stimmen gehört. Mein Betragen hatte seine Frau gestört, als sie versuchte, ihr Mittagsschläfchen zu halten. (Ich kam nie am frühen Nachmittag herein, außer an Wochenenden.) Er hatte im Müll eine Whiskyflasche gefunden.
Ich machte mir so meine Gedanken über den Chiropraktiker. Es war nicht angenehm, zu begreifen, wie die Legenden in Mr. Malleys Leben entstanden waren.
Während die Zettel immer bösartiger wurden, hörten unsere persönlichen Begegnungen auf. Ein oder zwei Mal sah ich seinen krummen Pulloverrücken verschwinden, als ich den Flur betrat. Nach und nach verlagerte sich unsere Beziehung völlig ins Reich der Phantasie. Er beschuldigte mich jetzt per Zettel, mit Leuten vom Numéro Cinq intim zu sein. Das war ein Café in der Nähe, das er vermutlich aus symbolischen Gründen heranzog. Ich hatte das Gefühl, viel mehr würde nun nicht passieren, die Zettel würden weitergehen, vielleicht mit immer groteskerem Inhalt, der mich umso weniger treffen würde.
Er klopfte an einem Sonntagmorgen gegen elf Uhr an meine Tür. Ich war gerade hereingekommen, hatte den Mantel ausgezogen und den Kessel auf die Kochplatte gestellt.
Diesmal wies er mir ein anderes Gesicht, fern und verklärt, es leuchtete mit dem kalten Licht intensiver Freude über die Entdeckung von Sündenbeweisen.
»Hätten Sie wohl etwas dagegen«, sagte er bewegt, »mir über den Flur zu folgen?«
Ich folgte ihm. In der Toilette brannte Licht. Diese Toilette gehörte zu meinem Büro, und niemand sonst benutzte sie, aber er hatte mir keinen Schlüssel dafür gegeben, und sie war nie abgeschlossen. Er blieb davor stehen, machte die Tür auf, stand mit gesenktem Blick da und stieß leise den Atem aus.
»Wer kann das bloß gewesen sein?«, fragte er im Ton reinster Betrübnis.
Die Wände über der Toilette und über dem Waschbecken waren mit Zeichnungen und Sprüchen der Art bedeckt, wie man sie manchmal in öffentlichen Toiletten sieht, die an einem Badestrand stehen, und früher in denen der Rathäuser, in den heruntergekommenen Kleinstädten meiner Kindheit. Sie waren wie üblich mit Lippenstift hingemalt worden. Jemandmusste in der Nacht zuvor hinaufgelangt sein, dachte ich, möglicherweise jemand aus der Clique, die sich samstags abends immer in der Gegend um das Einkaufszentrum herumtrieb.
»Sie war eben nicht abgeschlossen«, sagte ich, kühl und fest, als könnte ich mich damit aus der Affäre ziehen. »Eine Schweinerei.«
»Und was für eine. Für meine Begriffe recht obszöne Sprache. Vielleicht ist das für Ihre Freunde nur ein Witz, aber für mich nicht. Ganz zu schweigen von den Kunstwerken. Kein schöner Anblick, wenn man morgens im eigenen Haus eine Tür aufmacht.«
Ich sagte: »Ich glaube, Lippenstift lässt sich abwaschen.«
»Ich bin nur froh, dass meine Frau das nicht sehen musste. So was verstört eine Frau, die anständig erzogen worden ist. Warum bitten Sie Ihre Freunde nicht hier herauf zu einer kleinen Party mit Eimern und Bürsten? Ich möchte mir die Leute mit solch einem
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