Tanz der seligen Geister (German Edition)
Sinn für Humor mal anschauen.«
Ich drehte mich um und wollte weggehen, aber er baute sich schwerfällig vor mir auf.
»Ich glaube, es ist gar keine Frage, wie diese Verzierungen an meine Wände gekommen sind.«
»Wenn Sie damit sagen wollen, dass ich irgendetwas damit zu tun habe«, sagte ich ausdruckslos und gelangweilt, »dann sind Sie verrückt.«
»Wie sind sie denn sonst hingekommen? Wessen Toilette ist das? Hm?«
»Es gibt keinen Schlüssel dafür. Jeder kann hier heraufkommen und reingehen. Vielleicht sind irgendwelche Jugendlichen von der Straße raufgekommen und haben das gestern Nacht gemacht, nachdem ich gegangen bin, wie soll ich das wissen?«
»Es ist eine Schande, wie den Jugendlichen die Schuld an allem gegeben wird, wo es doch die Erwachsenen sind, die sie verderben. Darüber sollten Sie ruhig mal nachdenken. Es gibt nämlich Gesetze. Sittengesetze. Sie gelten für so was hier und meines Wissens auch für Literatur.«
Soweit ich mich erinnern kann, passierte es mir da zum ersten Mal, dass ich tief Luft holte, ganz bewusst, zur Wahrung meiner Selbstbeherrschung. Ich hätte ihn am liebsten ermordet. Ich weiß noch, wie weich und widerwärtig sein Gesicht aussah, mit den fast geschlossenen Augen und den geweiteten Nasenlöchern, um den beruhigenden Duft der Rechtschaffenheit einzusaugen, den Duft des Triumphes. Wenn diese dumme Geschichte nicht passiert wäre, hätte er nie und nimmer gewonnen. Aber er hatte gewonnen. Vielleicht sah er etwas in meinem Gesicht, das ihm Angst machte, sogar in diesem siegreichen Augenblick, denn er wich an die Wand zurück und brachte hervor, eigentlich, im Grunde genommen, habe er nie das Gefühl gehabt, das sei so etwas, was ich persönlich tun würde, eher so etwas, was vielleicht gewisse Freunde von mir … Ich gelangte in mein Zimmer und machte die Tür zu.
Der Kessel veranstaltete einen Höllenlärm, da das Wasser darin fast verkocht war. Ich riss ihn von der Kochplatte, zog den Stecker raus, stand einen Augenblick lang da und erstickte fast vor Wut.
Dieser Anfall ging vorüber, und ich tat, was ich tun musste. Ich packte meine Schreibmaschine und das Papier auf den Stuhl und faltete den Klapptisch zusammen. Ich schraubte den Deckel fest auf den Pulverkaffee und steckte ihn mit dem gelben Becher und dem Teelöffel in die Tasche, in der ich ihn hergebracht hatte; sie lag immer noch zusammengefaltet auf dem Regal. Ich verspürte den kindischen Wunsch, mich an der Topfpflanze zu rächen, die in der Ecke stand, zusammen mit der geblümten Teekanne, dem Papierkorb, dem Kissen und – den hätte ich fast vergessen – einem kleinen Bleistiftanspitzer aus Plastik.
Als ich die Sachen zum Auto hinunterbrachte, kam Mrs. Malley. Seit jenem ersten Tag hatte ich sie kaum je gesehen. Sie wirkte nicht aufgeregt, sondern pragmatisch und resigniert.
»Er hat sich hingelegt«, sagte sie. »Er ist nicht ganz auf dem Posten.«
Sie trug die Tasche mit dem Kaffee und dem Becher. Sie war so still, dass mein Zorn mich verließ, um einer tiefen Depression Platz zu machen.
Ich habe noch kein anderes Büro gefunden. Ich glaube, eines Tages werde ich es wieder versuchen, aber vorläufig noch nicht. Ich muss zumindest warten, bis dieses Bild verblasst, das ich so deutlich vor Augen habe, obwohl ich es nie in Wirklichkeit sah – Mr. Malley mit seinen Lappen und Bürsten und einem Eimer mit Seifenwasser, er schrubbt auf seine unbeholfene Weise, seine absichtlich unbeholfene Weise, die Toilettenwände ab, er bückt sich mühsam, atmet kummervoll und fügt in Gedanken die bizarre, aber irgendwie nie ganz befriedigende Schilderung eines weiteren Vertrauensbruchs zusammen. Während ich Wörter zusammenfüge und denke, dass es mein gutes Recht ist, mich von ihm zu befreien.
Ein Gläschen Medizin
Meine Eltern tranken nicht. Sie waren keine Eiferer, und ich erinnere mich sogar, als ich im siebten Schuljahr zusammen mit dem Rest meiner exzellent, wenn auch nicht permanent indoktrinierten Klasse dem Alkohol abschwor, da sagte meine Mutter: »Das ist doch bloß Unsinn und Fanatismus, Kinder in dem Alter.« Mein Vater trank schon mal an einem heißen Tag ein Bier, aber meine Mutter schloss sich ihm nicht an, und – ob nun zufällig oder symbolisch – dieses alkoholische Getränk wurde immer außerhalb des Hauses konsumiert. In der Kleinstadt, in der wir lebten, waren die meisten Leute, die wir kannten, ebenso. Ich dürfte nicht sagen, dass es das war, was mich in
Weitere Kostenlose Bücher