Tanz der seligen Geister (German Edition)
das sie nicht hasste. Sie putzte ihm die Nase wie eine unpersönliche Pflegerin, sie sprach ihm Wörter vor, damit er sie lernte, sie beugte das Gesicht über ihn und rief ihn: Hallo, Benny, hallo, und er sah zu ihr auf und lächelte auf seine langsame und ungewisse Art. Das rief in ihr dieses Gefühl hervor, so ein trauriges und müdes Gefühl, dann ging sie weg und ließ ihn zurück, sie ging und sah sich eine Filmzeitschrift an.
Sie hatte zum Frühstück nur eine Tasse Tee und ein Stück Kuchenbrötchen gehabt; jetzt bekam sie Hunger. Sie kramte zwischen dem schmutzigen Geschirr und den Pfützen aus Milch und Porridge auf dem Küchentisch herum; sie fand ein Brötchen, aber es war milchdurchweicht, und sie warf es wieder hin.
Hier stinkt’s, sagte sie. Irene und George gaben überhaupt nicht acht. Sie stieß mit dem Fuß nach einem Porridgeklecks, der auf dem Linoleum getrocknet war. Schaut euch das an, sagte sie. Schaut’s euch an! Warum ist es hier immer so dreckig? Sie ging herum und trat mechanisch nach Dingen. Dann holte sie den Aufwischeimer unter der Spüle hervor, nahm die Schöpfkelle und schöpfte Wasser aus dem Speicher im Herd.
Ich werde hier sauber machen, sagte sie. Hier wird nie sauber gemacht wie anderswo. Als Erstes werdeich den Fußboden schrubben, und ihr beiden müsst mir helfen …
Sie setzte den Eimer auf den Herd.
Das Wasser ist doch heiß genug, sagte Irene.
Es ist nicht heiß genug. Es muss richtig kochend heiß sein. Ich habe gesehen, wie Mrs. McGee ihren Fußboden schrubbt.
Sie blieben die ganze Nacht über bei Mrs. McGee. Sie waren seit der Ankunft des Krankenwagens drüben. Sie hatten zugesehen, wie Leona und Mrs. McGee und die anderen Nachbarinnen Benny die Sachen auszogen, und es sah so aus, als gingen dabei auch Teile seiner Haut ab, und Benny machte ein Geräusch, nicht wie Weinen, mehr wie das Geräusch, das ein Hund gemacht hatte, als sein Hinterteil überfahren worden war, aber schlimmer und lauter … Aber Mrs. McGee sah sie; sie rief: Geht weg, geht hier weg! Geht rüber zu mir, rief sie. Danach war der Krankenwagen gekommen und hatte Benny ins Krankenhaus gebracht, und Mrs. McGee kam rüber und sagte ihnen, dass Benny für eine Weile im Krankenhaus war und dass sie bei ihr bleiben würden. Sie gab ihnen Brote mit Erdnussbutter und Brote mit Erdbeermarmelade.
Das Bett, in dem sie schliefen, hatte ein Federkissen und glatte, gebügelte Laken; die Decken waren hell und flauschig und rochen schwach nach Mottenkugeln. Obendrüber lag eine Stern-von-Bethlehem-Steppdecke; sie wussten, dass sie so hieß, denn als sie zu Bett gehen wollten, sagte Patricia: Meine Güte, was für eine hübsche Steppdecke!, und Mrs. McGee, die überrascht und etwas verwirrt aussah, sagte: Oh ja, es ist eine Stern-von-Bethlehem.
Patricia war sehr höflich in Mrs. McGees Haus. Es war nicht so schön wie einige der Häuser im Villenviertel, aber es war draußen mit Backsteinimitation verkleidet, und drinnen hatte es einen unechten Kamin, dazu einen Farn in einem Korb; es war nicht wie die übrigen Häuser entlang der Durchfahrtsstraße. Mr. McGee arbeitete nicht in der Fabrik wie die anderen Männer, sondern in einem Geschäft.
George und Irene waren so schüchtern und verängstigt in diesem Haus, dass sie nicht antworten konnten, wenn sie angesprochen wurden.
Sie wurden alle sehr früh wach; sie lagen auf dem Rücken, unbehaglich in der frischen Bettwäsche, und sahen zu, wie es im Zimmer hell wurde. Dieses Zimmer hatte zartlila Seidenvorhänge und Jalousien und zartlila und gelbe Rosen auf der Tapete; es war das Gästezimmer. Patricia sagte: Wir haben im Gästezimmer geschlafen.
Ich muss mal, sagte George.
Ich zeig dir, wo das Badezimmer ist, sagte Patricia. Es ist unten im Flur.
Aber George wollte nicht hinunter ins Badezimmer gehen. Das gefiel ihm nicht. Patricia versuchte ihn zu überreden, aber er wollte nicht.
Schau mal nach, ob unter dem Bett ein Nachttopf steht, sagte Irene.
Sie haben hier ein Badezimmer, sie haben keine Nachttöpfe, sagte Patricia wütend. Wozu sollten sie stinkige alte Nachttöpfe haben?
George blieb stur dabei, dass er nicht hinunter wollte.
Patricia stand auf, schlich zur Kommode und holte eine große Vase. Als George fertig war, machte sie sehr vorsichtig, fast ohne ein Geräusch, das Fenster auf, goss die Vase aus und trocknete sie mit Irenes Schlüpfer ab.
So, sagte sie, ihr seid jetzt ruhig und liegt still. Redet nicht laut, nur
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