Tanz der Sinne
wollte er sie wirklich zum Essen einladen. Hastig hüllte sie sich in das Cape, so daß ihr Gesicht verborgen blieb. Das letzte, was sie jetzt brauchen konnte, war, daß irgend jemand sie erkannte.
Strathmore führte sie die Treppe hinauf, eine Hand fest um ihren Ellbogen gelegt. Drinnen sagte er zu dem ehrerbietigen Maitre d’hotel: »Ein privates Speisezimmer, Robecque, und so schnell wie möglich etwas zu essen für eine hungrige Dame. Und Champagner.«
Robecque zögerte und machte eine verzweifelte Miene. »Es tut mir unendlich leid, Lord Strathmore, aber ich furchte, die Privaträume sind alle reserviert«, sagte er mit schwerem französischem Akzent.
Strathmore hob die Brauen. »Oh?«
Der Franzose reagierte auf diesen winzigen Laut, als habe er ein Messer an der Kehle.
Augenblicklich sagte er: »Hier entlang, Mylady.
Gerade fällt mir ein, daß ein Zimmer frei ist.«
Er führte sie durch einen privaten Gang in ein kleines, üppig ausgestattetes Gemach.
»Champagner und eine angemessene Erfrischung werden sofort serviert.«
Nachdem Robecque sich verbeugt und den Raum verlassen hatte, sagte Kit ironisch: »Ich vermute, daß Sie dem armen Mann eben einen Raum abgepreßt haben, den ein bloßer Sterblicher für heute abend reserviert hatte.«
»Vermutlich.« Unbeeindruckt nahm Strathmore ihr das Cape ab und glitt dabei mit den Fingern über ihre nackten Arme.
Sie erschauerte und wich zurück.
»Mein Anliegen war dringlicher«, erklärte der Graf, während er das Kleidungsstück an einen Haken hängte.
»Und ihre Börse ergiebiger.« Mit dem Gefühl, im Nachteil zu sein, wenn sie sich setzte, schlenderte sie durch den Raum. Ihre bauschigen Röcke flogen ihr um die Knöchel, und der dicke Teppich verschluckte das Geräusch ihrer Schritte. Sie hatte schon ein- oder zweimal im Clarendon diniert, aber nie in einem Privatraum. Es war eine Welt voller Treibhausrosen, blitzendem Kristall und dem sanften Glanz polierten Holzes.
Ihr Blick fiel auf die samtbezogene Chaiselongue in der Zimmerecke. Hastig sah sie weg. Nichts fehlte für denjenigen, der ein kostspieliges Abenteuer suchte.
Die Tür ging auf, und ein Geschwader von Kellnern stürmte herein. Während einer den Kronleuchter herabließ und die Kerzen anzündete, entfachte der andere das Feuer. Ein dritter öffnete eine Flasche Champagner, und der letzte schob einen hochbeladenen Servierwagen herein, unter dessen Silberglocken aromatische Dampfwolken hervorquollen. Das Essen roch himmlisch, und es war so schnell erschienen, daß Kit den Verdacht hatte, das Essen eines anderen zu erhalten.
Strathmore wandte sich an den Oberkellner.
»Vielen Dank, Petain. Sie können gehen. Wir werden uns selbst bedienen. Wir brauchen Sie heute abend nicht mehr.«
Der Kellner verbeugte sich und scheuchte seine Mannschaft aus dem Raum. Als sie alleine waren, sagte Kit: »Nach der Behandlung zu urteilen, die Ihnen hier zuteil wird, fange ich an mich zu fragen, ob Ihnen das Hotel gehört.«
Er zuckte die Achseln. »Ich habe dem Maitre d’hotel einmal einen kleinen Gefallen getan. Er hat es nicht vergessen.«
»Das heißt vermutlich, er hat beim Kartenspiel ein Vermögen an Sie verloren, und Sie haben großzügig beschlossen, ihn nicht in den Schuldturm werfen zu lassen.«
»So ungefähr.« Er zog einen Stuhl an den Tisch und machte eine einladende Handbewegung.
»Sollen wir anfangen?«
Sie beschloß, daß sie es sich genausogut bequem machen konnte, und zog die Haarnadeln aus ihrer Perücke. Sie nahm sie ab und hängte sie neben das Cape. Dann schüttelte sie ihr eigenes, flachgedrücktes Haar auf. Sie vermutete, daß sie aussah wie eine Pusteblume. Und doch trat Bewunderung in des Grafen Augen, als sie sich setzte.
Er goß ihnen beiden Champagner ein und hob sein Glas. »Auf die begabteste, unaufrichtigste Frau, die ich je kennengelernt habe.«
»Ist das ein Kompliment oder eine Beleidigung?«
Er lächelte ein wenig. »Eine bloße Feststellung.«
Er sah elegant aus und atemberaubend attraktiv.
Sie hätte ihn für einen vollendeten Gentleman gehalten, wäre da nicht das gefährliche Leuchten in seinen grün-goldenen Augen gewesen.
Sie war sich der sexuellen Spannung zwischen ihnen wohl bewußt, und so nippte sie nervös an ihrem Glas. Bläschen tanzten auf ihrer Zunge, wirbelten durch ihr Blut und besänftigten ihre angespannten Nerven. Etwas entspannter widmete sie ihre Aufmerksamkeit dem Essen. Es schmeckte noch besser als es roch. Nach einer Seezunge in
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