Tanz der Sinne
daß sie eine respektable Frau war, der man den Hof machen konnte, aber keine unsittlichen Anträge. Sonst wäre er versucht gewesen, ihre Bekanntschaft zu vertiefen, und sein Leben war schon kompliziert genug.
Kit war etwas anders. Sie hatte beschlossen, bürgerliche Moralvorstellungen in den Wind zu schlagen, sie war Freiwild. Falls – wenn – sie ein Liebespaar wurden, waren sie einander ebenbürtig.
Aber er war sich der Gegenwart der Frau an seiner Seite immer noch deutlich bewußt.
Innerlich lächelnd sagte er sich, daß Kathryn gottlob eine kräftige Rechte besaß, von der sie, ohne zu zögern, Gebrauch machte. Nein, es war seine rechte Wange gewesen, sie hatte also mit der unken Hand zugeschlagen.
Er fragte: »Kira, sind Sie und Ihre Schwester beide linkshänderinnen?«
Ihr früheres Mißtrauen kehrte zurück. »Warum nennen Sie mich so?«
»Meine Tante sagt, daß Sie und Kristine einander Kit und Kira nennen. Ich habe Ihren Namen benutzt, weil er mir gefällt.«
»Lady Steed ist äußerst aufmerksam«, sagte sie abweisend. »Aber diese Namen sind nur für meine Schwester und mich. Es ist eigenartig, sie aus dem Mund eines Fremden zu hören.«
»Verzeihen Sie«, sagte er zerknirscht. »Ich werde mich auf Kathryn beschränken, wenn Sie das vorziehen.«
»Lady Kathryn, bitte. Wir stehen nicht auf vertrautem Fuß miteinander.«
»Noch nicht.«
Sie sah ihm voll ins Gesicht. »Ich bin nicht Kristine, Lord Strathmore, und ich schätze es nicht, als Mittel zum Zweck benutzt zu werden.«
Er war überrascht, wie wenig ihm gefiel, daß sie so dachte. Er brachte seine Pferde am Rande des Fahrweges zum Stehen, so daß er ihr seine volle Aufmerksamkeit zuwenden konnte. »Es ist wahr, ich möchte Ihre Schwester finden, aus egoistischen Gründen ebenso wie aus selbstlosen.
Aber Sie sind selber eine faszinierende Frau. Ich glaube, wir könnten Freunde werden, wenn Sie es zulassen würden, statt mich anzufauchen wie eine Wildkatze.«
Sie wandte den Blick ab. »Es tut mir leid, wenn ich unhöflich war. Mein Vater war sehr unzuverlässig, das hat mich männlichen Absichten gegenüber mißtrauisch gemacht.«
»Ich habe keine unehrenhaften Absichten Ihnen gegenüber, und ich würde die Unterhaltung mit Ihnen auch dann genießen, wenn Sie keine Zwillingsschwester hätten. Würde das als Basis für eine Freundschaft ausreichen?«
»Vielleicht«, sagte sie nervös. »Aber ich weiß nicht, ob ich mir diese Freundschaft wünsche.«
»Sie sind eine harte Frau, Lady Kathryn.«
»Es ist mir lieber so, Mylord.« Als wolle sie das Thema wechseln, fragte sie: »Haben Sie einen Bruder?«
»Nein.« Jetzt war es an Lucien, nervös zu werden.
Er ließ die Pferde mit unnötiger Heftigkeit antraben. »Ich hatte eine Schwester, aber sie ist sehr jung gestorben.«
»Das tut mir leid«, sagte sie mit ehrlichem Mitgefühl. »Geschwister können die besten Verbündeten gegen eine verwirrende Welt sein.
Niemand sonst begreift so gut, welche Kräfte uns fürs Leben prägen.«
»Ich habe in Eton drei Brüder adoptiert, und die waren ein großartiger Ersatz«, sagte er leichthin.
Sie seufzte. »Eine Familie, die man sich aussucht, ist vielleicht viel erfreulicher als die, in die man hineingeboren wird.«
»Normalerweise schon, aber wenn es Probleme gibt, sind sie genauso schmerzhaft wie mit Blutsverwandten«, sagte er und dachte an die Aufregung, die Michael im vergangenen Frühjahr verursacht hatte. »Sie kennen Kristine besser als irgend jemand. Bestimmt haben Sie eine Idee, wo ich sie suchen könnte. Ich habe Grund zu der Annahme, daß sie in Soho wohnt.«
»Früher hatte sie dort eine Wohnung, aber jetzt nicht mehr«, antwortete Kathryn. »Ich glaube, sie tritt in den nächsten Wochen nicht auf. Vielleicht hat sie London verlassen.« Sie warf ihm einen rätselhaften Blick zu. »Wenn Sie etwas erfahren, lassen Sie es mich Bissen?«
»Ich wollte Sie um dasselbe bitten. Vermutlich wird sie eher mit Ihnen in Kontakt treten als mit mir.«
Kathryn starrte auf ihre festverschlungenen Hände. »Wir sind einander nicht mehr so nahe wie früher. Ich wäre überglücklich, von ihr zu hören, aber ich erwarte es nicht.«
Er dachte an die vielfältigen Bande zwischen Zwillingen und litt im Stillen mit Kathryn. Es mußte schwierig sein, von der Mildtätigkeit einer willensstarken Tante zu leben, abgeschnitten von ihrer Schwester, die ihre engste Vertraute war.
Und noch schlimmer mußte es sein, zu glauben, daß ihre Schwester nichts
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