Tanz der Sinne
würde, wüßte ich es sofort. Sie ist unglücklich und hat manchmal schreckliche Angst, aber sie ist ebenso lebendig wie ich.«
Sie hatte Skepsis erwartet, aber er sagte lediglich: »Wenn das der Fall ist, ist eine Entführung die wahrscheinlichste Möglichkeit.
Weißt du, ob irgend jemand sie möglicherweise entführen wollte, und warum?«
Er glaubte ihr! Fast schwindlig vor Erleichterung erwiderte sie: »Das letztemal, als ich mit Kira gegessen habe, etwa einen Monat zuvor, hat sie flüchtig einen Verehrer erwähnt, der entschlossen war, sie zu seiner Mätresse zu machen. Sie hat darüber gelacht, aber damals dachte ich mir, daß sie nichts gesagt hätte, wenn sie dadurch nicht beunruhigt gewesen wäre.«
»Du glaubst also, der Mann hat beschlossen, sie mit Gewalt zu erobern, wenn sie nicht freiwillig kommen will«, sagte Lucien stirnrunzelnd.
»Alles andere ergibt keinen Sinn. Sein Risiko dabei war minimal – niemand wäre überrascht vom Verschwinden einer jungen Schauspielerin«, sagte sie mit bitterer Ironie. »Da alle Schauspielerinnen von vorneherein als Dirnen gelten, würde jeder annehmen, daß sie mit irgendeinem Mann durchgebrannt ist, der ihr ein verlockendes Angebot gemacht hat.«
»Als Kira den Mann erwähnte, hat sie irgend etwas gesagt, das dir helfen würde, ihn zu identifizieren?«
»Nein, aber sie hat immer ein kleines Notizbuch benutzt, um sich an Verabredungen und anderes zu erinnern. Ich habe ihre Wohnung durchsucht, bis ich es gefunden habe. Das meiste war nicht wichtig, aber es gab ein paar empörte Kommentare über einen Mann, der ein ›Nein‹
nicht akzeptieren wollte.« Kits Gesicht wurde angespannt. »Kira nannte ihn Lord Höllenhund.
Außerdem hat sie ein paar kritische Bemerkungen über den Club der Höllenhunde gemacht.«
»Kein Wunder, daß du hinter ihnen her gewesen bist.« Lucien runzelte die Stirn. »Aber warum hast du derartige Risiken auf dich genommen? Du hättest genausogut einen Fachmann engagieren können, vielleicht einen Detektiv aus der Bow Street.«
Sie warf ihm ein freudloses Lächeln zu. »Genau das habe ich getan. Mr. Jones hat sein Bestes versucht. Er hat einen Säufer ausfindig gemacht, der gesehen hat, wie in der fraglichen Nacht nicht weit vom Marlowe entfernt eine Frau in eine Kutsche gezerrt wurde. Aber es hat geregnet, und der Mann konnte keine Einzelheiten über die Frau oder die Entführer angeben. Mehr konnte Mr.
Jones nicht in Erfahrung bringen, obwohl er Informanten in ganz London hat. Kira ist wie vom Erdboden verschluckt.«
»Und da hast du beschlossen, die Angelegenheit in deine eigenen Hände zu nehmen und dabei dein Leben und deine Freiheit aufs Spiel zu setzen.«
»Die beste Art, etwas über Kiras Leben zu erfahren, war, es zu führen – Cassie James zu werden und die Menschen in ihrer Umgebung kennenzulernen«, sagte Kit abwehrend. »Cleo war die einzige im Theater, die wußte, daß Kira eine Zwillingsschwester hatte, und niemand ist je auf die Idee gekommen, daß ich nicht die echte Cassie James sein könnte. Ich habe Kira oft spielen sehen, daher war es nicht allzu schwer, in ihre Rolle zu schlüpfen.«
»›Nicht schwer‹, so zu tun, als wärst du die aufsehenerregendste junge Schauspielerin, die London seit Jahren gesehen hat«, murmelte Luden. »Das ist eine meisterhafte Untertreibung.«
»Ohne Cleos Hilfe hätte ich es nicht geschafft. Sie hat mir alles gesagt, was ich wissen muß, über die Truppe und das richtige Benehmen hinter der Bühne. Was die eigentliche Imitation angeht, so hattest du recht: ich habe mir vorgestellt, ich wäre sie.« Kit lächelte bitter. »Ich kann die Illusion ein paar Stunden lang aufrechterhalten, aber es ist schrecklich anstrengend, die ganze Zeit blenden zu müssen.«
Er bewegte sich leicht, und sein Morgenrock fiel auseinander und bot einen verwirrenden Blick auf seine Brust. »Und die berühmte Tätowierung?«
Kit zwang sich, ihre Augen von dem faszinierenden Anblick der goldenen Haare auf seinem muskulösen Torso abzuwenden. »Ich bin zu demselben Mann gegangen, der Kira tätowiert hat.« Sie kratzte die Stelle. »Es juckt immer noch ein bißchen.«
Er zog den Saum von Kits Hemd beiseite und studierte den Schmetterling, der auf ihrem Schenkel flatterte. »Ich hätte selbst drauf kommen können. Als ich es geküßt habe, fühlte die Stelle sich ein wenig geschwollen an. Jemand hat mir einmal gesagt, daß eine frische Tätowierung wie ein Relief wirkt, aber ich hatte es vergessen.« Er
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