Tanz der Sinne
verzerrt. »Es ist eigenartig – als wir noch jünger waren und viel zu viele billige Romane lasen, haben Kira und ich Pläne geschmiedet, was wir tun würden, wenn eine von uns von einem bösen Prinzen entführt würde. Wir schworen einander, daß wir intensiv an den Unhold denken würden, so daß die andere imstande sein würde, ihn zu erkennen. Wenn wir zusammen ausritten, hat eine von uns sich ein Versteck für eine Nachricht ausgedacht, und die andere mußte es erraten. Wir waren beide ziemlich gut darin.«
Lucien trank seinen Brandy aus und stellte sein Glas auf den Nachttisch. »Haben deine nächtlichen Nachforschungen irgendeinen Erfolg gehabt?«
»Nicht so viel, wie ich mir wünschen würde«, sagte sie zerknirscht. »Die meisten jüngeren Höllenhunde konnte ich sofort ausschließen. Mit den älteren, den Satansjüngern, ist es schwieriger. Ich habe das Gefühl, daß Kira sie alle gekannt hat und keinen von ihnen mochte.«
Sie fing an, im Zimmer auf- und abzulaufen. »Ich bin nach Blackwell Abbey gekommen, weil ich dachte, Harford wäre der richtige. Im Ballsaal konnte ich keinen genauen Eindruck bekommen, deswegen habe ich mich mit ihm in seinem Zimmer verabredet. Dort habe ich gemerkt, daß er der falsche ist. Ich bin mir sicher, daß er Kira kennt, aber ebenso sicher bin ich, daß er sie nicht gefangen hält. Wäre er es, hätte er reagiert, als ich meine Maske abgenommen habe.«
»Was ist mit Lord Mace?«
»Der ist ein anderer Hauptverdächtiger. Ich hatte gehofft, hier irgendeine Spur von Kira zu entdecken, aber ich könnte schwören, daß sie niemals in Blackwell Abbey gewesen ist. Und auch nicht auf Chiswicks Landsitz.«
»Der Mann, der sie entführt hat, muß sie nicht unbedingt zu sich nach Hause gebracht haben.«
»Das ist wahr.« Kit rieb sich die Schläfe, um den Schmerz zu vertreiben, der sie plagte, sobald sie über das Verschwinden ihrer Schwester nachdachte. »Es gibt viel zu viele Möglichkeiten.
Aber ich weiß nicht, was ich sonst tun soll. So mächtige Männer wie die Satansjünger kann man nicht beschuldigen, ohne stichhaltige Beweise zu haben, und die habe ich nicht. Alles, was ich habe, ist mein Instinkt. Und ich habe schreckliche Angst, weil ich das Gefühl habe, daß mir die Zeit ausgeht.«
»Deine Verbindung zu deiner Schwester ist die beste Waffe, die wir haben«, sagte Lucien nachdenklich. »Wir müssen einen Weg finden, sie anzuwenden.«
Sie empfand grenzenlose Erleichterung darüber, wie selbstverständlich er sich ihr Problem zu eigen gemacht hatte. Lucien würde ein fabelhafter Verbündeter sein. Außerdem hatte er erstaunliches Verständnis für ihr Verhältnis zu Kira.
Geradezu unheimlich, wenn man es bedachte.
Ihre Augen wurden schmal, als sie ihn ansah.
»Woher weißt du soviel über Zwillinge?«
Sein Blick wich ihr aus. Nach einer fast unmerklichen Pause sagte er: »Ich fand das Phänomen immer faszinierend, deswegen unterhalte ich mich mit Zwillingen, wann immer ich ihnen begegne.«
Jetzt, wo sie nicht mehr an Kira dachte, merkte sie, daß die Strömung zwischen ihr und Lucien in beide Richtungen lief. Ebenso wie er imstande war, ihre Stimmungen zu spüren, hatte sie eine Ahnung von seinen Gefühlen. Und es gab etwas, etwas Wichtiges… »Das ist nicht alles. Sag es mir, Lucien.«
Er schloß die Augen, und sein Gesicht verzog sich.
Dann, genauso unfähig, ihren Fragen zu widerstehen wie sie zuvor den seinen, sagte er gequält: »Ich habe einmal erwähnt, daß ich eine Schwester hatte, die gestorben ist. Elinor war mehr als eine Schwester. Sie war mein Zwilling.«
Kapitel 24
Entgeistert starrte Kit ihn an. »Um Gottes Willen, du hattest eine Zwillingsschwester, und sie ist gestorben? Wie hast du das ertragen?«
»Es war furchtbar.« Seine übliche Ruhe verflog, und sein Gesicht wurde starr und verletzlich. »Es war, als ob… als ob ich entzweigerissen würde.«
Sie hielt den Atem an, ging dann wortlos zum Bett hinüber und umarmte ihn.
Seine Arme umschlangen sie, und er vergrub den Kopf an ihren Brüsten, am ganzen Körper zitternd. Aber er weinte nicht. Vielleicht wäre es dann nicht so schrecklich gewesen.
Wieder und wieder streichelte sie sein Haar und seinen steifen Nacken. Sie ahnte, daß er selten über seinen Verlust gesprochen hatte, vielleicht noch nie. Sie spürte auch, daß es an der Zeit für ihn war, es zu tun. Als seine Umklammerung nachließ, flüsterte sie: »Erzähl nur von Elinor.«
Langsam machte er sich los und kletterte aus
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