Tanz der Sterne - Unter dem Weltenbaum 03
ihr nur Schmerzen eintragen. Aschure hoffte, daß die gemeinsamen Monate mit Axis und ihrem Sohn hier in der Festung sie mit genügend Liebe und Glück erfüllen würden, um das unvermeidliche spätere Leid leichter ertragen zu können. Die junge Frau beruhigte sich vollkommen in seinen Armen, paßte ihren ganzen Körper seinem Lied an und freute sich darüber, wie Caelum auf seinen Vater ansprach.
Nach einiger Zeit hatte das Lied sein Ende gefunden. Der Krieger lächelte und flüsterte ihr ins Ohr: »In Euch ist ein wundervoller Sohn herangewachsen. Sprecht mit ihm. Er liebt Euch und möchte Eure Stimme hören.«
»Meine Stimme? Aber ich dachte, nur ikarische Väter könnten mit ihren Kindern reden, die sich noch im Mutterleib befinden. Warum sollte Caelum da meine Stimme vernehmen wollen?«
»Weil er Euch liebt«, versicherte Axis ihr noch einmal. »Ihr seid seine Heldin. Nur zu, er kann Euch hören, denn er ist wach.«
Aschure legte vorsichtig die Hände auf ihren Bauch, und Axis’ ruhten auf ihnen. Was sollte sie dem Knaben nur sagen? Langsam und zögernd, dann aber mit immer mehr Selbstvertrauen und Freude, sprach sie mit ihrem Kind.
30 »L ASS DIE B ANNER WEHEN !«
Rivkah eilte zunehmend beunruhigt durch die Gänge der Burg. Sie war früh erwacht und hatte feststellen müssen, daß Aschure fort war. Ihr Bett fühlte sich ganz kalt an. Nur ihre Kleider lagen noch so auf dem Stuhl, wie sie sie hingelegt hatte. Aschure konnte kaum mehr als ihr Nachthemd anhaben! War sie etwa wieder zu einem ihrer mitternächtlichen Spaziergänge aufgebrochen? Aber warum war sie dann noch nicht zurück? Ihr mußte etwas zugestoßen sein! Vielleicht war Aschure irgendwo hinuntergestürzt. Vielleicht war sie verletzt?
Rivkah bog in den Hauptgang ein und lief zu der Treppe, die zum Turm hinaufführte. Dabei kam sie an dem Gemach vorbei, das Belial für ihren Sohn bereithielt. Die Tür war geschlossen, und nichts deutete auf irgend etwas Ungewöhnliches hin. Aber nein, etwas war hier anders …
Rivkah blieb stehen, und nach einer Weile wußte sie, was sie störte. Ein leichter Geruch von Lampenöl drang aus dem Raum. Hatte Aschure sich hier hinein begeben? Schlief sie dort, oder lag sie verletzt auf dem Boden und konnte sich nicht mehr rühren? Entschlossen drückte Rivkah die Klinke hinunter und trat ein.
Ja, hier brannte Licht, auch wenn das Öl fast aufgebraucht war. Rivkah sah sich in der Kammer um und atmete tief ein. Diese Räumlichkeiten hatte sie seit ihrer Rückkehr nach Sigholt nicht mehr betreten, und jetzt kehrten die Erinnerungen an längst vergangene Zeiten zurück. Searlas ist schon lange tot, beruhigte sie sich, als sie zu zittern begann. Mutig trat Rivkah weiter hinein und entdeckte Aschures Nachthemd, das zusammengeknüllt auf dem Boden lag. Jetzt fiel ihr auch die offene Schlafzimmertür ins Auge. Langsam schritt sie darauf zu und trat vorsichtig ein.
Aschure und Axis lagen dort friedlich schlafend im Bett. Er hatte schützend seinen Arm um sie gelegt. Na ja, dachte Rivkah in heiterer Gelassenheit, offensichtlich seid Ihr nicht schnell und weit genug vor meinem Sohn davongelaufen, was, Aschure?
Axis öffnete die Augen und starrte auf seine Mutter, die vor dem Bett stand. Sanft löste er sich von seiner Geliebten, die leise etwas vor sich hin murmelte, als er aus dem Bett stieg. Der Krieger wickelte sich in ein Laken und umarmte dann seine Mutter.
»Willkommen daheim«, flüsterte sie und ließ ihren Sohn nicht los. »Hat der Fährmann Euch einiges beizubringen verstanden? Habt Ihr einige Geheimnisse erfahren können?«
»Der Charonite befährt mit seinem Boot immer noch die Wasserwege, und es geht ihm gut.« Axis strich seiner Mutter ein paar silberne Strähnen aus der Stirn. »Weiß sonst noch jemand, daß ich hier bin?«
»Nein, außer …« Rivkah nickte in Richtung der schlafenden Schönen im Bett.
»Sie trägt einen wunderbaren Sohn in sich, Mutter.«
»Aschure hat sich große Sorgen um ihr Kind gemacht. Habt Ihr zu ihm gesungen?«
»Ja.«
»Rivkah, seid Ihr es?« murmelte Aschure schlaftrunken hinter ihnen.
Sie ließ ihren Sohn los, setzte sich zu ihrer Freundin aufs Bett und streichelte ihr Haar.
Aschure konnte sich recht gut vorstellen, was sie jetzt denken mußte. »Mir geht es gut, Rivkah. Macht Euch um mich keine Sorgen.«
Aber Rivkahs Miene verdüsterte sich. Die beiden waren noch so jung und sich völlig sicher, daß ihr Leben sich genau so entwickeln würde, wie sie es sich jetzt
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