Tanz der Sterne - Unter dem Weltenbaum 03
würde –, desto lieber. Gilbert wollte den Wächter schon anschreien, als plötzlich eine dunkle Gestalt hinter dem Mann im Gang erschien.
Der Soldat nahm sofort Haltung an, was Gilbert verwirrte, als er erkannte, daß es sich bei dem Neuankömmling um einen dieser Wilden aus dem Rabenbundland handelte. Der hier hatte sich sogar noch mehr mit Tätowierungen verunstaltet, als das normalerweise in der nördlichen Ödnis üblich war.
»Häuptling Ho’Demi!« brüllte der Wächter. »Dieser unterernährte Habenichts behauptet, im Auftrag des Bruderführers unterwegs zu sein.«
»Ich verfüge über Beglaubigungsschreiben!« erwiderte Gilbert empört. Was hatte dieser Geisteszwerg da gerade von ihm gesagt? Unterernährt? Ein Habenichts? Der Bruder hatte sich stets als wohlgestaltet und gutaussehend betrachtet.
Der Barbar schnippte mit den Fingern. »Dann her damit. Zeigt mir Eure Papiere.«
Gilbert zog einige zusammengefaltete Blätter aus seiner Kutte und reichte sie dem Wilden. Insgeheim freute er sich schon auf die Verrenkungen dieses Barbaren, wenn er so tat, als könne er lesen.
»Ihr bringt Seiner Durchlaucht also Nachricht über König Priam, Bruder?« fragte der Häuptling schließlich, als er von dem Papier aufsah.
Der Mönch konnte sich nur unter Aufbietung aller Kräfte davor bewahren, den Wilden wie ein Weltwunder anzustarren. Doch dann beruhigte er sich wieder. Immerhin war der Rabenbunder ein Häuptling, womöglich hatte er irgendwo einmal etwas aufgeschnappt, und eben war es ihm nach einiger Anstrengung gelungen, den Namen Priam zu entziffern. Der Rest ließ sich auch von einem Einfaltspinsel zusammenreimen. »Ja«, bestätigte er dem Barbaren, auch wenn er nicht wußte, warum er sich mit ihm hier abgeben mußte. »Ich bringe wichtige Nachrichten über Seine Majestät und die Lage in Karlon. Sehr wich-ti-ge Nach-rich-ten«, fügte er dann noch langsam für den Fall hinzu, daß der Barbar nicht alles begriffen hatte.
Ho’Demi faltete die Blätter wieder zusammen, steckte sie in seine Fellweste und ignorierte Gilberts Protestgeschrei. »Ich werde ihn vor den Herzog führen, Eawan. Ihr habt richtig gehandelt.«
Der Mönch schob sich mit herablassender Miene an dem Soldaten vorbei. Dann eilte er dem Häuptling hinterher und wäre dabei beinahe über einen Besen gestolpert, den irgendeine dämliche Schlampe von Magd dort vergessen hatte. Schließlich ging es eine finstere Treppe hinauf.
»Mit Lampenöl wird hier gespart«, brummte der Rabenbunder, als er hörte, wie Gilbert auf den Saum seiner Kutte trat und sich an der Wand festhalten mußte, um nicht der Länge lang hinzuschlagen.
Oben angekommen, fanden sie sich vor einer schweren geschlossenen Tür wieder. Hier hielten gleich zwei Soldaten Wache. Beide nahmen sofort Haltung an, als sie des Häuptlings ansichtig wurden. Aber er schritt einfach zwischen ihnen hindurch, öffnete die Tür und winkte dem Bruder, ihm zu folgen.
»Wartet auf mich, Faraday«, hörten sie Bornheld gerade rufen, »vielleicht pflanze ich Euch ja gerade heute nacht meinen Sohn ein.«
Rauhes Gelächter ertönte, und die Herzogin glitt an Gilbert vorbei zur Tür hinaus. Sechs Monate war es her, seit er sie zum letzten Mal gesehen hatte. Da war Faraday noch ein lebhaftes junges Ding gewesen, doch die Dame, die nun an ihm vorbeieilte, wirkte eher, als trüge sie das Leid der ganzen Welt auf ihren Schultern.
»Oho!« rief Bornheld jetzt. »Wen haben wir denn da?«
Ho’Demi reichte ihm die Papiere des Mönchs. Der Herzog überflog sie rasch. »Schau an, Bruder Gilbert scheint aufschlußreiche Neuigkeiten zu bringen. Nun, Gilbert?«
Endlich ein Mann, der sich meiner Achtung als würdig erweist, dachte Gilbert. Bornheld stand vor dem Kaminfeuer und wirkte zwar etwas heruntergekommener, als er ihn in Erinnerung hatte. Er hatte sich das dunkelrote Haar so kurz geschnitten, daß man auf den ersten Blick glauben konnte, er habe eine Glatze und sei mit dem Kopf heftig irgendwo angestoßen. Dennoch erschien der Herzog dem Mönch als der bei weitem Vornehmste im ganzen Raum. Dieser Mann verdient unsere Unterstützung, dachte er, als er vor Bornheld trat und sich verbeugte.
»Euer Durchlaucht«, begann er untertänig und bewies mit der Wahl dieser Anrede seine diplomatische Feinfühligkeit. Hätte er Bornheld »Edler Herzog von Ichtar« genannt, hätte das unter den gegebenen Umständen als beleidigender Hohn mißverstanden werden können. Jayme hatte ihm zudem eingeschärft, den
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