Tanz des Lebens
ihm an der Wand hängenden Telefon.
»Nein … nein, keinen Arzt! Das Problem …« Sie stockte kurz und bohrte verloren eine weitere Rosine aus dem Teig. »Das Problem ist nicht organischer Art. Und es geht ihm jetzt schon besser. Wahrscheinlich hat er nur ein paar Bagel zu viel gegessen. Ich habe ihm kalte Wickel gegen das Fieber gemacht.«
»Na, Gott sei Dank!« sagte Mike und sah sie dankbar an.
»Ja«, erwiderte Faye mit matter Stimme und schob ihren kaum angerührten Teller zur Seite. »Er besteht sogar darauf, zur Schule zu gehen.«
Wie zum Beweis ertönten im selben Moment polternde Schritte auf der Treppe.
»Hey, mach dir nicht so viele Sorgen, Faye.« Zielsicher griff Luke nach ihrer Hand, die krampfhaft das Lenkrad umspannte. Ich habe noch nicht die Absicht zu sterben.« Faye wünschte sich von Herzen, dass seine Worte der Wahrheit entsprachen. Aber sie hatte entsetzliche Angst. Seit sie sich erinnern konnte, hatte sie Luke beschützt und das würde sich auch in dieser Situation nicht ändern. Wenn man jemand wirklich liebt, dann spürt man wie es ihm geht.
Und Luke ging es nicht so gut, wie er es nach außen hin vorgab. Trotzdem ging Faye auf seinen vorgetäuschten Optimismus ein und versuchte den sorgenvollen Blick aus ihrem Gesicht zu scheuchen. »Wir werden es zusammen schaffen, Luke«, sagte sie, nahm die Hand vom Lenkrad und strich ihm zärtlich über seine gegelten Haarspitzen. »Ich habe dir geschworen, für immer auf dich aufzupassen und dieses Versprechen werde ich niemals brechen.«
»Cool.« Luke griff nach seiner Büchertasche, stieß mit seinem Stock die Wagentür auf und lachte beim Aussteigen, was Faye ein wenig Zuversicht aufs Gesicht zauberte. Sie blieb noch einen Moment sitzen und sah Luke nach, bis er im Schulgebäude verschwunden war. Etwas beruhigter schnallte sie sich wieder an.
Als sie nach rechts sah, blieb Faye vor Überraschung fast das Herz stehen. In der Parklücke neben ihr stand ein blauer Tucson, der ihr vorher nicht aufgefallen war. Fay schloss für eine Sekunde die Augen und versuchte ihr klopfendes Herz zu beruhigen. Auf dem Fahrersitz saß dieser umwerfende, geheimnisvolle Quin und betrachtete sie mit einem unergründlichen Blick aus seinen dunklen Augen.
Doch für Gefühlsaufwallungen blieb ihr keine Zeit. Entschlossen, dem beängstigenden Vorfall um Luke auf den Grund zu gehen, startete sie den Motor.
Zwanzig Minuten später parkte sie ihren Wagen am Pier des Aka del Monte Beach. Über dem Pazifik schien die Sonne. Es war warm, aber der Strand lag unter einem dichten Schleier. Auf dem kleinen Pfad zum Strand wurden Fayes Schritte immer wieder vom Nebel verschluckt – von diesem ganz besonderen Seenebel, den es nur hier an der kalifornischen Küste gab und der auch im Sommer nicht weichen wollte. Normalerweise liebte Faye diesen Ort, aber heute verschwendete sie keinen Blick. Zielstrebig bog sie in einen verborgenen Seitenweg ein, bis sie vor einem unauffälligen Haus stand.
Nach ihrem Klopfen öffnete sich die Tür. Shiva blinzelte ihr aus ihren ährengoldenen Augen fröhlich zu, bevor sie die Tasse mit einer dampfenden Flüssigkeit abstellte, sie durch den schmalen Türeingang zog und sie in einer liebevollen, mütterlichen Umarmung herumwirbelte.
»Mingalaba! Willkommen zurück in Monterey«, sagte sie schließlich. »Setz dich und probier meine neueste Teemischung. Ich habe die Kräuter heute Morgen speziell für dich gesammelt.«
Faye blinzelte verblüfft. »Woher wusstest du, dass ich …« Na klar. Spielerisch schlug sie sich gegen die Stirn. Fast hätte sie vergessen, dass sie sich im Haus einer Hexe befand. Bestimmt hatte Shiva schon vor Tagen ihre Ankunft vorhergesehen. Staunend betrachtete Faye die langjährige Assistentin ihres Vaters. Mike Conners hatte sie vor über sechzehn Jahren bei den Ausgrabungen der sagenumworbenen Soi-Yi-Pagode in Burma kennen- und schätzengelernt.
Irgendwann einmal hatte er Faye erzählt, dass ihm sofort ihre stille, zurückhaltende Art aufgefallen war. Damit war sie das Gegenteil zu seiner hektisch herumschreienden Frau. Außerdem unterschied sie sich damals erfrischend von all den anderen einheimischen Arbeitern, die es mit der Pünktlichkeit nicht sehr genau nahmen und sich zum Essen nach dem Stand der Sonne richteten, auch wenn ihre Schicht erst vor wenigen Minuten begonnen hatte. Und die in jedem ausgegrabenen Regenwurm einen verstorbenen Urahn vermuteten.
Woraufhin sie die Würmer laut
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