Tanz des Lebens
hat, um ihre Ausgrabungen in der Öffentlichkeit interessanter zu machen. Im Gegensatz zu Faye habe ich diesen Schwachsinn niemals geglaubt. Aber wie kommen diese Wesen hierher nach Kalifornien und was, verdammt noch mal, wollen sie von mir. Was bewirkt so ein verfluchtes Nat-Siegel?«, rief er stockend.
Verlegen fuhr sich Liam mit beiden Händen durchs Haar. »Ich weiß es nicht, Luke. Nur die Nat-Jäger mit ihren magischen Kräften können die Anderswelt durch das gebannte Portal verlassen. Und ein Siegel besitzen außer den Schwarzmagiern nur die Ice Whisperer. Und das ist das Problem. Irgendwie ist es ihnen gelungen aus ihrer Verbannung zu entkommen. Sie sind einfach da. Sie erscheinen aus dem Nichts. Die Prägung mit ihrem Siegel bewirkt, dass sie den ausgewählten Menschen markieren. Erst danach sind sie in der Lage, das Blut auszusaugen, aus dem sie ihre Lebensenergie erhalten, bis die Verwandlung vollzogen ist.«
»Aber warum weiß keiner von euch, wie sie aus dieser Anderswelt entkommen konnten?«, fragte Faye verzweifelt.
»Weil das Wissen darum so gefährlich ist. Die Jäger, die hinter das Geheimnis kommen wollten, sind nie mehr aufgetaucht. Wir nehmen an, dass sie getötet wurden«, erwiderte Liam leise.
Faye warf einen Blick auf Quin. Teilnahmslos folgte er ihrem Gespräch, während er mit dem silbernen Dolch in seiner Hand spielte und sich in Schweigen hüllte. Danach betrachtete sie Liam aus den Augenwinkeln. Die beiden Brüder waren so unterschiedlich wie Tag und Nacht. Äußerlich besaßen sie keine typischen Merkmale, wie es sonst bei Geschwistern vorkam.
Luke und sie zum Beispiel hatten dieselbe hellbraune Augenfarbe und die gleiche zartgliedrige Gesichtsform. Die beiden Brüder hingegen verband äußerlich nur die blauschwarze Farbe ihrer Haare. Während Liams schlanke, etwas schlaksige Gestalt einen asiatisch olivbraunen Ton aufwies und sein schüchternes Lächeln mit den karamellfarbenen Augen Sanftmut und Güte ausstrahlten, wirkte an Quin alles dunkel und geheimnisvoll. Seine muskulösen Arme waren von einem satten Honigbraun und seine samtschwarzen Augen wirkten alles andere als freundlich.
»Und wie wird man zu einem Nat-Charmer?«, fragte Luke in die Stille hinein. »Indem man einen Vater hat, der sich der dunklen Seite angeschlossen hat, und die Söhne das ausbaden müssen«, stieß Quin grimmig hervor.
»Red nicht so über Dad«, schnitt Liam ihm das Wort ab. »Du weißt gar nichts über ihn.«
»Weil er nicht mit mir redet …«
»Du elender Mistkerl. Falls du es vergessen hast: Dad kann nicht mit uns reden, weil er einen Schlaganfall hatte und halb gelähmt da oben im Bett liegt.« Gereizt strich sich Liam über die Haare, als er leise hinzufügte: »Quin, hör auf, über Dinge zu reden, die du nicht verstehst.«
»Leck mich«, zischte Quin böse.
»Ok, wie du willst.« Seufzend stand Liam auf und winkte Faye mit einer abgehackten Bewegung zu sich. »Kommt mit. Ich möchte euch etwas zeigen.« Er war schon halb auf den Weg nach draußen. Mit einem vorsichtigen Blick in Quins versteinertes Gesicht fasste Faye nach der Hand ihres Bruders und zog ihn behutsam von der Couch hoch. Liam hatte an der Küchentür auf sie gewartet. Zusammen durchquerten sie den weitläufigen Garten.
Fayes gesamter Körper bebte vor Anspannung, als sie die hereinbrechende Dunkelheit und mit ihr die vanillesüßen getränkten Düfte der feuchten Nacht registrierte. Am Rande der abschirmenden Hecke blühten exotische Pflanzen, die sie noch nie zuvor gesehen hatte und deren Namen sie nicht kannte. Am Ende des Weges schimmerten die hellen Umrisse eines kleinen Pavillons. Liam half Luke die Stufen hinauf, dann drehte er sich um.
»Ist alles in Ordnung?«, fragte er über die Schulter hinweg und kam langsam auf sie zu.
»Ja, alles klar. Außer dass dein Bruder ein emotionaler Zombie ist und mein Luke von Dämonen verfolgt wird, geht es uns gut … glaube ich.«
»Hey«, murmelte er sanft. »Hör auf, dir Sorgen zu machen. Ab jetzt bin ich für dich da.« Ohne sie aus den Augen zu lassen, zog er eine Kette unter seinem Leinenhemd hervor und legte sie ihr scheu um den Hals. Als er ihre Haare beiseite schob, um die Öse zu verschließen, fühlte sie seinen aufgeregten Atem auf ihrem Rücken. Überrascht blickte sie auf ihre Brust und betrachtete den grünlich schimmernden Anhänger.
Liam lachte leise. »Das ist Ritualjade, ein Talisman. Er beschützt uns vor den Dämonen und einigen ihrer dunklen Zauber.
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