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Tanz des Lebens

Tanz des Lebens

Titel: Tanz des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bianca Balcaen
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dem Beschützerinstinkt, den er für Liam empfand, obwohl dieser älter war, die einzige Gefühlsregung, die er kannte. Sein Bruder nannte ihn oft einen gefühlskalten Klotz. Wahrscheinlich hatte er recht, aber zu mehr war Quin einfach nicht in der Lage; so war es schon immer gewesen. Sein Körper glitt federleicht durch die feuchtwarme Nacht.
    Mühelos sprang er vier Schritte am Baumstamm empor und versuchte die Bilder aus seinen Kopf zu verdrängen. Ihm wurde jetzt noch übel, wenn er an Liams schüchternes Geplänkel und seine schwärmerischen Blicke dachte, mit denen er die eine Hälfte des Geschwisterpaares heute Abend beglückt hatte. Quin selbst entwich höchstens ein kleines Lächeln, wenn er erfolgreich einen Dämon zur Strecke gebracht hatte.
    Andere Emotionen waren ihm gänzlich fremd. Was die Mädchen trotzdem – oder gerade deswegen – nicht davon abhielt, sich ihm an den Hals zu werfen. Wahrscheinlich fanden sie seine animalisch düstere Art anziehend. Quin war das sowas von egal. Nichtsdestotrotz besaß er aber durchaus menschliche Bedürfnisse, die er mit den unzähligen, ermutigenden Angeboten williger Mädchen befriedigte; nicht mehr und nicht weniger.
    Doch heute war er zum allerersten Mal verunsichert. Er beendete die letzte Übung und ließ sich keuchend zu Boden fallen. Die Feuchtigkeit und die Schatten der Nacht vermischten sich mit den betörenden Gerüchen des Gartens und der salzigen Meeresbrise, die von der Bucht heraufwehte. Mit verschränkten Armen unter seinem Kopf lag er unbeweglich im Gras, starrte mit halbgeöffneten Augen in den sternenübersäten Himmel und dachte an das Mädchen von heute Nachmittag. Er erinnerte sich, dass er ein Geräusch hinter sich gehört hatte. Und danach hatte er ohne nachzudenken reagiert.
    Die aufgewirbelte Luft seines pfeilschnellen Saltos streifte ihren Arm, während er hinter ihr zum Stehen kam. Sein rechter Arm umklammerte ihre Taille wie ein Schraubstock und mit der anderen hielt er die Dolchspitze an ihrem Hals. Doch statt panisch zu reagieren oder den Geruch von Schweiß und Angst zu verbreiten, blieb dieses ungewöhnliche Mädchen still und rührte sich nicht von der Stelle. Und obwohl eine Dolchspitze an ihrer Kehle lag, hatte sie nicht mit der Wimper gezuckt. Mutig. Einzig ihre großen ausdruckstarken Augen hatten ihn angeblickt. Unbewusst hatte er sie noch näher an sich herangezogen, sodass ihr Rücken gegen seine Brust gedrückt war.
    Sie roch irgendwie nach Früchten, nach süßen erntefrischen Kirschen mit einem Hauch Jasmin. Als er danach sein Gesicht in ihr Haar presste, hatte er zum ersten Mal etwas gefühlt – etwas, das er buchstabieren, aber nicht einordnen konnte – und er arbeitete hart daran, dass dies auch so blieb. Verdammt. Wütend ließ Quin seine Faust ins Gras krachen, sodass die Tautropfen hochspritzten und an seinem nackten, vom Kampf erhitzten Oberkörper abperlten.
    Er atmete schwer. Aufgebracht drehte er seinen Kopf zur Seite; er hatte noch immer ihren Geruch in der Nase. Mit geschlossenen Augen lauschte er den gewohnten Geräuschen der Nacht und wartete darauf, dass sie seinen unruhigen, geplagten Geist beruhigten.
     

     
    Liam erschien. Lautlos stellte er den Dreifuß, einen niedrigen antikhölzernen Tisch, auf dem Rasen ab und setzte sich neben seinem Bruder ins taunasse Gras. Schweigend schenkte er Tee ein. Quin setzte sich auf und griff ebenso schweigend nach seinem Becher. Damit baute er seinem Bruder eine Brücke, um sein Tun zu erklären. Über ihren Köpfen wanderte der silbrigschimmernde Mond durch die Wolken. Der kleine Löffel klirrte, als Liam sich vorbeugte, um den Zucker in Quins Tee zu verrühren.
    »Hör zu. Ich weiß, dass ich Mist gebaut habe …«
    »Stimmt. Es war eine vollkommen idiotische Handlung«, pflichtete Quin ihm bei. »Was zum Teufel hast du dir dabei gedacht?«
    Liam lehnte sich gegen den Baumstamm des maltretierten Akazienbaums. Erschöpft hob er die Hand und nahm seine Brille ab. Dahinter wirkten seine karamellfarbenen Augen riesengroß. Der Anblick von seinem blassen Gesicht, in dem sich der langsam beginnende und sehr schmerzvolle Kampf gegen dem Dämon zu spiegeln begann, steigerte Quins Zorn noch mehr.
    »Ich weiß es nicht … Wahrscheinlich habe mir gar nichts dabei gedacht.«
    »Doch, das hast du sehr wohl. Gib es zu: Du hast diesem Mädchen dein Jadeamulett gegeben und ihr unsere Geheimnisse preisgegeben, um sie zu beeindrucken.«
    Umständlich begann Liam seine Brille mit

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