Tanz des Lebens
der schon seit Anbeginn des Jahrhundertzyklus existiert. Die Hauptaufgaben des Gründerrats und uns Nat-Charmern ist es, die Macht der Magier zu brechen und die satanischen Dämonen zu vernichten, damit das Gleichgewicht beider Welten nicht zerstört wird. Unser Element ist die smaragdgrüne Jade. Wir nennen sie Shenwu – magische Materie. Unsere Schutzamulette sind aus dieser magischen Ritualjade. Sie sind mit silbernem Feenhaar und Shenwumotiven graviert, gegen die Nat-Dämonen allergisch sind. Jade-Amulette wehren Dämonen ab und können einen Schutzzauber bewirken. Zum anderen nutzen magisch begabte Nat-Charmer das Jademana.«
Faye ließ sich Zeit damit, seine Worte zu begreifen. Die Gewissheit, dass dieser Ort und der Jade-Zirkel ihre einzige Chance waren, ihren Bruder zu retten, wurde immer stärker, machte ihr gleichzeitig aber auch immer mehr Angst.
»Ach, Luke!« Sie seufzte und lehnte ihren Kopf kurz an seine magere Schulter; dabei glitt ihr Blick zur Terrassentür, von der aus sie in den blühenden Garten hinabblicken konnte. Für einen winzigen Moment verlor sie sich in den schweren Blumendüften. Wie aus weiter Ferne lauschte sie Liams weiteren Erklärungen. »Zu unserem Jade-Zirkel gehören die weißen Hexen, die uns mit ihren hellseherischen Kräften große Dienste erweisen. Und die Jäger. Und als Letztes gibt es noch den Wasser-Zirkel, dem die Yeidevi, die Medusen, angehören, deren Element die reinen weißen Mächte des Wassers sind. Sie sind unsere jahrhundertealten Verbündeten.«
Er stockte und betrachtete Fayes abwesenden Gesichtsausdruck. Langsam beugte er sich vor und streichelte zart ihre Wange. Erschrocken zuckte Faye zusammen und sah ihn mit großen Augen an.
»Tut mir leid, dass ich dich mit diesem Wahnsinn belasten muss«, flüsterte er mitleidig. »Dieser dunkle Wahnsinn, um dessen Einhalt wir immer wieder kämpfen. Aber wir schaffen es niemals, ihn ganz auszurotten. Manchmal scheint die satanische Macht unausrottbar und allgegenwärtig zu sein.«
»Wir kommen schon damit klar«, erwiderte Luke an ihrer Stelle und zog seine Schwester beschützend hinter sich. »Zeig uns jetzt einfach den Rest deiner Schule und erklär uns, wie wir weiter vorgehen«, sagte er schroff.
Erstaunt runzelte Liam seine Stirn, sagte aber nichts und führte sie stattdessen an eine der Trainingsboxen.
»Also gut. Hier üben wir Taula, den chinesischen Formstil. Ein normaler Schüler macht das zur Selbstverteidigung oder weil er Wettkämpfe bestreitet. Für einen Nat-Charmer ist diese Kampftechnik ein essenzielles lebenslanges Überlebenstraining gegen tödliche Nat-Dämonenangriffe. Die Mehrzahl der Formen beim Wushu sind Einzelformen, bei denen ein einzelner Schüler die Abfolge ausführt, die einen Kampf mit einem imaginären Gegner darstellt. Wir üben aber auch Partnerformen, bei denen mehrere Schüler einen mehr oder weniger realistischen Kampf ausfechten. Das Ausführen einer solchen Form dauert beim Shaolin Kung Fu zwischen einigen zehn Sekunden bis wenige Minuten. Schüler, die sich intensiv mit der Meditation beschäftigen, verharren bis zu einer Stunde in der entsprechenden Formstellung. Üblicherweise trainiert ein Anfänger mit einer waffenlosen Form. Erst danach dürfen die fortgeschrittenen Schüler mit den Waffenformen fortfahren, also mit einer Taolin-Form mit dem Schwert oder Speer.«
Faye hielt Luke fest an der Hand und starrte gebannt auf die grünen Lichtpunkte, die sich leise surrend um die Körper eines Schülers wanden und in ihrem Kopf eine eigentümliche Melodie erklingen ließen. Auch Luke schien das mystische Geräusch gehört zu haben. Er legte den Kopf schief. Doch unvermittelt erlosch die Melodie. Stattdessen löste sich das Licht von Körper und flog mit einer rasenden Geschwindigkeit durch die Luft. Zeitgleich bemerkte Faye nun auch ein unheimliches bläuliches Licht, das aus der gegenüberliegenden Trainingbox geschossen kam. Unmittelbar über ihnen knallten die Lichtpunkte aufeinander und explodierten mit einem lauten Zischen. Verängstigt zog Faye den Kopf ein und riss Luke blitzschnell hinunter in die Hocke.
»Jungs, hört sofort auf«, rief Liam in Richtung der beiden Kabinen. Anschließend beugte er sich herunter, um ihr aufzuhelfen. Als Faye immer noch verdattert schwieg, umfasste er in einer liebevollen Geste ihre Taille und führte die beiden Geschwister zu einer kleinen Sofaecke. Danach steuerte er den Wasserspender an und kam kurz darauf mit zwei Plastikbechern
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