Tanz des Lebens

zurück. Er setzte sich Faye gegenüber und betrachtete sie eine Weile still, bevor er zu sprechen anfing.
    »Das tut mir leid. Es war nicht meine Absicht, euch zu erschrecken. Wahrscheinlich hätte ich euch vorwarnen sollen.« Mit einem entschuldigenden Grinsen versuchte er die Spannung im Raum zu entschärfen. »Habt ihr schon mal von dem Begriff Mana gehört?«, fragte er unvermittelt. Faye schüttelte den Kopf, doch Luke erwiderte: »Davon hab ich schon mal gelesen. Sind das nicht so eine Art geistiger Kräfte, mit der bestimmte Menschen Dinge bewegen können?«
    Gedankenverloren spielte Liam mit dem Kugelschreiber, der auf den kleinen Glastisch vor ihnen lag. »Ja, so in der Art. Wenn ein Nat-Charmer auserwählt und in der Shaolin-Technik geschult wurde, verfügt er über große, mythische Fähigkeiten. Dazu gehören die Manakugeln, außergewöhnliche Heilkräfte und unmenschlich starke Kampffähigkeiten. Mana ist die Fähigkeit magisch begabter Menschen, Zauber zu wirken. Nat-Charmer, aber auch einzelne Hexen und Schwarzmagier werden mit dieser Fähigkeit geboren. Sie alle können übernatürliche Kräfte entwickeln. In der Welt unserer weißen Magie gibt es keinen Unterschied zwischen jenseitigen und weltlichen Kräften. Beide sind gleichermaßen real und Teil unserer täglichen Realität. Magisch Begabte besitzen die Möglichkeit, Mana zu manipulieren. Aber so eine Begabung als solche bedeutet noch nicht, dass man in der Lage ist, magische Effekte auch zu kontrollieren. Magisch Begabte benötigen eine mehrjährige Ausbildung, um zielgerichtet magische Phänomene hervorrufen zu können. Und das versuchen wir ihnen hier in der Academy beizubringen. Denn daneben gibt es die dunkle Seite der Magie. Das sind die Triaden des Feuer-Zirkels. Die Schwarzmagier benutzten ihr Mana, um sich der dunklen Kräfte der Dämonen zu bedienen. Wir Nat-Charmer hingegen haben über Jahrhunderte gelernt, die magische Lichtkraft der Jadegöttin zu perfektionieren. Sowohl bei der schwarzen, als auch bei der weißen Magie bewirken alleine die geistigen Kräfte eines Mediums, sein gutes, beziehungsweise schlechtes Mana zu beschwören. Schwarzmagier beherrschen die Feuermacht, das heißt, sie können das Feuer in ihnen auf ihre Arme übertragen und so als Flammenschwerter benutzen. Wir Nat-Charmer hingegen besitzen die Kraft des Lichtmanas. Wenn man ein Auserwählter ist, hat man die Kraft, die grünen Lichtkugeln zu bündeln und sie wie Wurfgeschosse zu benutzen. Wenn sie einen Nat-Dämon treffen, verglüht er binnen Sekunden zu Staub und Asche.«
    »Ist ja irre. Wenn ich das jemandem erzähle, das glaubt mir kein Schwein, die denken, ich verarsche sie«, sinnierte Luke halblaut und kratzte sich am Kinn. Dann fiel ihm noch etwas auf: »Aber meine Schwester hat gesagt, dass sie auch blaue Lichtkugeln gesehen hat. Was hat es damit auf sich?«
    Liam atmete tief durch und sah besorgt zu Faye, die immer schweigsamer wurde. Nur zögernd gab er eine Antwort auf Lukes Frage.
    »Die von einer grünen Flamme ausgelösten Lichtkugeln nutzen grünes Mana, um einen gewaltigen Stromschlag aus der Hand abzuschießen. Der wiederum feuert drei mächtige grüne Manakugeln ab, die entweder einem geraden Weg folgen oder über den Boden, Himmel und über Felswände einschlagen können. Je nachdem, wie die Konzentration des Kämpfers ist, kann er das bis zu achtmal wiederholen. Danach sind seine Kräfte aufgebraucht und er muss sich regenerieren. Grüne Manakugeln verkörpern die göttliche Macht der Jadegöttin und stehen ausschließlich den Nat-Charmern und den Yeidevis zur Verfügung. Die weißen Hexen und Jäger werden von den blauen Mächten der Erdgötter gestärkt, darum das bläuliche Licht, das sie auf lange Distanz in zwei Kugeln schleudern können. Sie sind zwar schwächer als unsere Kraft, richten aber erheblichen körperlichen Schaden an, der die Dämonen bewegungsunfähig macht.«
    Leicht benommen schüttelte Liam den Kopf. Er wirkte immer noch unfähig, den Blick von Faye abzuwenden, die auf dem Sofa saß und wie ein scheues Reh aussah. Luke, der mit seinen übersinnlichen Wahrnehmungen fühlte, was in Liam vorging, unterdrückte ein Schmunzeln. Er kannte seine Schwester so gut wie kein anderer; er wusste, wenn sie sich so still verhielt, dass sie alles Gesagte katalogisierte, das, was ihr wichtig erschien, in ihren Gedanken speicherte und dann, wenn es darauf ankam, wieder abrief.
    Faye konnte wie ein wildgewordener Stier kämpfen, wenn es