Tanz des Lebens
»Vielleicht hat Mom ja doch recht? Es muss doch irgendeinen Sinn ergeben, dass das Elixier zusammen mit den Natfiguren in der Gruft lag, oder nicht?«, fragte sie unsicher. »Kann es sich nicht um eine Art Abwehrzauber von bösen Dämonen handeln?«
»Das«, murmelte Mike, »wissen wir leider noch nicht. Aber es wird in den nächsten Tagen sicherlich ein heißdebattierter Diskussionspunkt sein.«
»Kannst du mich anrufen, wenn ihr hinter das Geheimnis gekommen seid?«, fragte Faye schüchtern.
»Nein.« Er schüttelte energisch den Kopf. »Faye, was interessieren dich diese alten Geistergeschichten? Fang nicht an, so paranoid wie deine Mutter zu werden. Kümmere dich lieber um deinen Bruder und genießt eure Ferien. Schlimm genug, dass ich euch alleine lassen muss.«
Er schloss seine Aktentasche und griff mit der anderen Hand nach seinem Reisekoffer. »Violet wird sowieso einen Anfall bekommen, wenn sie erfährt, dass ihr hier alleine im Haus seid.«
»Es muss ihr ja keiner verraten«, sagte Faye abwesend. »Und nun beeil dich. Dein Flugzeug wartet nicht.« Sanft dirigierte sie ihn zur Tür. »Du brauchst dir keine Sorgen zu machen, Dad, wir haben alles unter Kontrolle.«
Seufzend drehte er sich noch einmal um und drückte ihr einen Kuss aufs Haar. »Gut, dann bis bald, meine kleine Fee.«
Prustend sank sie in die Hocke und wischte sich mit zitternder Hand den Schweiß aus dem Gesicht. Nachdem ihr Vater weggefahren war, war sie hoch zu Luke gerannt, um nach ihm zu sehen. Seit dem der Ice Whisperer ihn geprägt hatte, gab es gute und schlechte Tage. Heute war einer der Schlechten. Matt und von Krämpfen geplagt, lag er in seinem Bett und war kaum ansprechbar.
Sie fütterte ihn mit einem Teller Hühnerbrühe, wechselte sein durchgeschwitztes Bettzeug und verließ, als er eingeschlafen war, auf Zehenspitzen sein Zimmer. Anschließend wanderte sie unruhig durch das gesamte Haus. Kurz darauf fasste sie einen Entschluss und ging mit einem großen Messer bewaffnet in den Garten. Neben dem Bootssteg, auf der grünen Rasenfläche, die den kleinen Teich umgab, zog sie ihre Schuhe aus und schloss die Augen.
Als sie die magischen Linien und mystischen Buchstaben wieder vor ihrem inneren Auge sah, bückte sie sich und begann mit dem Messer einen etwa zwei Meter runden Kreis in die Grünfläche zu stechen. Ihr Vater würde in Ohnmacht fallen, wenn er sah, was sie seinem geliebten Rasen antat. Aber da Liam ihr verraten hatte, dass der Beschwörungstanz in der Nacht auch auf einer Wiese stattfand, fand Faye es eine gute Idee, die letzten Stunden ihrer Galgenfrist mit dem Einstudieren der Schritte zu verbringen.
Da Luke schlief, würde ihr im Haus vor lauter Nervosität doch nur die Decke auf den Kopf fallen. Also trainierte sie mit einer Verzweiflung, die ihr körperlich wehtat; trotzdem war die Angst ihr ständiger Begleiter. Und sie versuchte Quins Ratschlag zu beherzigen, der ihr eingebläut hatte, beim normalen Training weder die Beschwörungsformeln laut auszusprechen, geschweige denn auch nur an sie zu denken.
Auf ihre erstaunte Frage, warum, hatte er sie nur spöttisch angesehen und erwidert: Weil du dann schneller tot bist, als du laufen kannst. Oder hast du schon einmal mit einem Dämon kommuniziert? Sie hasste diesen verdammten Mistkerl. Als sie jetzt für einen kurzen Moment am Boden verschnaufte, hörte sie schwere Schritte die Auffahrt hochrennen.
»Hallo, meine kleine Mermaid.«
Abrupt kam sie auf die Füße und sah sich um. Nur einer hatte sie je in ihrem ganzen Leben Meerjungfrau genannt, weil sie das Meer so sehr liebte. Sie blickte in die Richtung, aus der die Stimme kam. Dann sah sie ihn langsam durch das Gartentor schlendern. Jung, braungebrannt und mit seinen wie immer zerzausten, blonden Locken. Langsam kam er auf sie zu. Mit einem übermütigen Gesichtsausdruck. »Randy! Was verschlägt dich denn hierher?«, rief sie erfreut. Sein Anblick freute sie tief und aufrichtig.
Nachdem Quin immer so abweisend zu ihr war, lief ihr Herz beim Anblick ihres alten Freundes vor Freude über. Stürmisch rannte sie auf ihn zu. Sie flog in seine Arme und er wirbelte sie im Kreis herum. Dann plötzlich küsste er sie mitten auf den Mund. Faye war in diesem Moment so überglücklich, ein so vertrautes Gesicht zu sehen, dass sie es geschehen ließ. Er wirbelte sie noch einmal im Kreis herum und ließ sie dann langsam hinunter auf den Boden. »Also, Randy, was in Gottes Namen treibt dich hierher?«
Er
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